Das „Zentrum der Gesundheit“ lügt uns an

Screenshot: Gluten-Artikel des Portals „Zentrum der Gesundheit“

Wer im Internet nach Informationen über häufige gesundheitliche Probleme sucht – zum Beispiel über die Hashimoto-Thyreoiditis oder die Unterfunktion der Schilddrüse – stößt bald auf Artikel, die zum Portal „Zentrum der Gesundheit“ gehören. Denn diese Texte sind bei Google sehr gut gelistet.

A propos Google: Für diejenigen, die nach „Hashimoto Lüge“ gesucht haben und deshalb hier gelandet sind, verweise ich auf den Artikel Die Hashimoto-Lüge oder Hashimoto-Irrtümer.

Das Problem beim Zentrum der Gesundheit: Die Artikel suggerieren zwar mit Hilfe zahlreicher Fußnoten, dass es sich um wissenschaftlich fundierte Aussagen handelt. Allerdings belegen die angeführten Studien nicht immer die forschen Behauptungen im Artikel. Die Verbraucherzentrale Hamburg sah sich das „Zentrum der Gesundheit“ näher an und kam zu dem Schluss: „Quellen werden angegeben, doch Qualität und/oder Inhalte der Studien entsprechen nicht den daraus gezogenen Schlussfolgerungen“. (Mehr dazu im Artikel Verkauf statt Aufklärung.)

So funktioniert das „Zentrum der Gesundheit“

Alle Studien durchzuarbeiten, die unter einem Artikel des „Zentrum der Gesundheit“ aufgelistet sind, wäre natürlich sehr aufwändig, deshalb macht es wohl kaum wer. Was schneller auffällt: Richtige wissenschaftliche Artikel haben immer einen oder mehrere Verfasser. Ähnlich ist es bei Zeitungsartikeln, und falls kein vollständiger Name darunter steht, dann ein Autorenkürzel oder die Nachrichtenagentur, von der die Meldung übernommen wurde. Bei den Artikeln des „Zentrums der Gesundheit“ ist allerdings kein Autorenname angegeben.

Warum nicht? Die Artikel im „Zentrum der Gesundheit“ dienen nicht der fachlichen Diskussion oder der Verbreitung neuer Erkenntnisse, sondern dem Content Marketing: Die dahinter stehende „Neosmart Consulting AG“ lässt viele Texte erstellen mit Behauptungen, die die Leser offenbar hören wollen und die ihnen Hoffnung machen. Deshalb werden die Artikel in Foren und auf Facebook intensiv weiter verbreitet. Auf Facebook hat das „Zentrum der Gesundheit“ über 260.000 Fans, darunter auch viele Hashimoto-Betroffene. (Die Website wurde nämlich im auflagenstarken Hashimoto-Buch der Fernsehmoderatorin Vanessa Blumhagen empfohlen.)

Durch die zahlreichen Verlinkungen bleiben die Texte bei Google oben auf der Trefferliste, die Besucherzahl bleibt auch bei älteren Artikeln hoch und auch der angeschlossene Shop und die beworbenen Produkte bekommen viel Aufmerksamkeit. Man könnte auch sagen: Das „Zentrum der Gesundheit“ ist ein Internet-Shop mit besonders weitschweifigen Verkaufstexten.

NEU: Der Ratgeber „Schilddrüsen-Unterfunktion, Hashimoto und Hormone“ geht auf diesen Seiten online. Die Themenübersicht finden Sie im Inhaltsverzeichnis.

Der Shop „Zentrum der Gesundheit“ über Krebs

Im Dezember 2016 war ich bei einem Journalistenworkshop mit dem Titel „Mythen & Fakten in der Ernährung – Ernährungsstudien richtig interpretieren“. Unter den Referenten war eine Statistikerin, die als Beispiel für unseriösen Umgang mit Studien und Statistiken das „Zentrum der Gesundheit“ nannte. Sie verwies auf einen reißerisch formulierten Artikel über Krebs und Vitamin-D-Mangel, der die bisher bekannten Erkenntnisse kräftig übertrieben hatte.

Aber es geht noch plumper: Das „Zentrum der Gesundheit“ bietet auch einen Artikel mit der Überschrift „Mit Backpulver (Natron) von Krebs geheilt“. Da sollte auch uninformierten Laien klar werden, dass hier grober Unfug mit ernsten Krankheiten getrieben wird.

Auf Youtube hat eine vegan lebende Ökotrophologin das „Zentrum der Gesundheit“ unter die Lupe genommen. Es geht u.a. um Vitamin B12:

Hashimoto beim „Zentrum der Gesundheit“

Aber kommen wir zurück zum Thema Hashimoto und dem Artikel „Gluten heizt Autoimmunerkrankungen an“, aus dem der oben abgebildete Screenshot stammt. Darin suggeriert das „Zentrum der Gesundheit“, dass Gluten für Autoimmunerkrankungen verantwortlich ist, der Fokus liegt auf Hashimoto und der Schilddrüse.

Im Text findet man auch einen populären Irrtum, der weit über alternative Kreise hinaus reicht: „Das Schilddrüsengewebe wird durch den Antikörper-Angriff kontinuierlich zerstört.“ Tatsächlich ist es so, dass die Schilddrüse durch die Lymphozyten infiltriert wird, die Bildung der Antikörper ist eine Reaktion darauf. Die Hashimoto-typischen Antikörper sind gar nicht die eigentlichen Übeltäter, sondern Marker für Hashimoto.

Nachtrag 2021: Der Artikel heißt inzwischen „Gluten heizt Hashimoto Thyreoiditis an“.

Der Gluten-Hype rund um Hashimoto

Auch das angebliche Gluten-Verbot bei Hashimoto wird vom „Zentrum der Gesundheit“ mit einem Irrtum begründet: Gluten und Schilddrüsengewebe seien sich molekular so ähnlich, dass sie vom Immunsystem verwechselt werden. Diese Aussage dürfte auf Missverständnissen beruhen, die der amerikanische Gesundheits-Unternehmer Chris Kresser in die Welt gesetzt hat.

Tatsächlich ist Gluten ein Gemisch aus Proteinen, das in einigen Getreiden vorkommt. Auch am Aufbau der Schilddrüse sind vielerlei Proteine beteiligt. Das bedeutet aber nicht, dass das Immunsystem beides verwechselt. Doch da diese Annahme mittlerweile von mehreren Quellen mit großer Reichweite verbreitet wird, wird sie von vielen geglaubt. Darunter sind nicht nur Patienten, sondern auch Heilpraktiker und Ärzte.

Mehr dazu im Online-Ratgeber: Glutenfreie Ernährung wegen Hashimoto?

Zurück zum „Zentrum der Gesundheit“: Wenn man das im Gluten-Artikel verlinkte Video (Glutenfreies Brot backen) direkt bei Youtube aufruft, findet man einen Beschreibungstext, der sich zu der Behauptung versteigt: „Gluten ist sehr gesundheitsschädlich.“ Hier texten weder medizinische Fachleute noch sorgfältig arbeitende Journalisten.

Wer Weizen oder Gluten tatsächlich nicht verträgt, sollte es natürlich weglassen. Dafür kann es diverse Gründe geben, die wichtigsten hat NDR Gesundheit vor kurzem aufgelistet. Aber eine Hashimoto-Diagnose zieht kein automatisches Gluten-Verbot nach sich, wie es das „Zentrum der Gesundheit“ suggeriert – da setzt man besser auf solide Diagnostik und ergänzend auf eigene Beobachtungen, welches Essen man gut verträgt und welches eventuell nicht.

Und die Moral von der Geschicht

Nicht alles, was bei Google oben steht, muss auch hilfreich sein. Nicht alles, was „alternativ“ klingt, hilft auch weiter. Und nicht alles, was wissenschaftliche Quellen als Fußnoten auflistet, ist tatsächlich von der Wissenschaft belegt.

Irene Gronegger

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Bearbeitungsstand: 2. September 2021

Irene

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  • Erfahrungsgemäß stimmen die Thesen vom Zentrum der Gesundheit. Ich arbeite schon seit vielen Jahren mit ähnlichen Therapieansätzen, wie sie auf diesen Seiten vorgeschlagen werden, und zwar erfolgreich. Ich finde die Seite toll! Auch wenn ein Shop dahinter stehen sollte, die Themen sind sehr interssant und bieten gute Alternativen zur Schulmedizin.

  • Das Zentrum der Gesundheit hat mittlerweile einen unübersichtlichen Wust an Artikeln veröffentlicht, da ist sicher auch manches dabei, was stimmt. Vor allem die Hausmittel dürften meist harmlos sein. Aber es gibt eben auch gefährliche Behauptungen und welche, die lediglich eine Modeerscheinung sind.

    Insgesamt ist das kein Fachportal, sondern ein Shop, der halt das bringt, was bei Google gesucht wird. Es gibt Tools, mit denen man feststellen kann, was die Leute googeln, und dann den Website-Besuchern quasi nach dem Mund schreiben.

    Etwas Richtiges findet man mit Glück überall, das ist noch kein Qualitätsmerkmal insgesamt. Beispiel: Ich habe z.B. schon einige sehr fundierte und seriöse Artikel bei Bild.de gelesen, sogar über Brustkrebs. Aber insgesamt ist das nicht typisch für dieses Medium.

  • Ich lebe seit 8 Jahren mit der Diagnose Hashimoto und habe mich zu dem Experiment Glutenfrei hinreißen lassen und musste nach 3 Monaten feststellen, dass es mir nichts gebracht hat. Meine Blutwerte haben sich weder verbessert noch verschlechtert. Meinen Speiseplan fülle ich meistens mit Produkten die aus DE oder NL stammen, weil ich es schwachsinnig finde auf Klima und Gesundheit zu plädieren, aber "Super-foods" um die halbe Erde schicken zu lassen. Da ich Sojaunverträglich reagiere war die Umstellung des Speiseplans nicht ganz ohne und nach einem Monat habe ich mit Vitamin-B/ und D Präparaten nachgeholfen. Immerhin habe ich meine Liebe zu Yoghurt entdeckt. Naturjoghurt mit Tiefkühlobst kann ich für den Sommer nur empfehlen. Ansonsten war für mich nichts den Aufwand wert. Ich hatte beim Sport weniger Ausdauer und die Muskeln übersäuerten schneller, dafür konnte ich besser schlafen. Aber im Gesamtkonzept ist es den Aufwand nicht wert.

  • Ich halte persönlich war nichts vom Zentrum für Gesundheit, aber ich halte genauso wenig von der Aussage, dass Glutenverzicht keine positive Auswirkung auf Hashimoto hätte. Ich lebe seit 2013 Gluten und Getreidefrei, zuckerfrei und Milchfrei. Soja hab ich ohnehin nie angefasst, wobei mein Naturheilkundlich bewanderter Arzt mal direkt sagte: Soja ist Selbstmord für die Schilddrüse. Aber sei es drum. Seit 2013 ohne Gluten und Getreide und seit 2015 bin ich in Remission mit traumhaften Werten. Sorry, aber das kann ich so nicht stehenlassen, auch wenn ich sicher bin, dass der Kommentar nicht erscheinen wird, oder gelöscht wird.

  • Ich habe nicht geschrieben, dass es sich für niemand lohnen kann, auf Gluten zu verzichten, dafür kann es Gründe geben und im Einzelfall gibt es sowieso fast alles. Aber es ist eben keine allgemeine Hashimoto-Heildiät, Gluten wegzulassen, siehe oben verlinktes Kapitel Glutenfreie Ernährung wegen Hashimoto? Daher gibt es auch genug Leute, denen es nichts außer Einschränkungen gebracht hat.

    Zu Soja: Ich esse keine Sojaprodukte, weil ich davon Bauchschmerzen bekomme. Aber "Soja ist Selbstmord für die Schilddrüse" klingt eher nach rustikaler Privatmeinung - sowas gibt es auch bei Ärzten. Ansonsten darfst du oder dein naturheilkundlicher Arzt gern die wissenschaftliche Quelle für diese Aussage posten. Denn ich kenne sicher nicht alle Studien über Soja, dafür sind es viel zu viele.

    Probleme durch Soja, von denen manche Frauen berichten, müssen nicht zwingend mit der Schilddrüse zu tun haben, da (nicht fermentierte) Sojanahrung ordentlich Phytoöstrogene enthält. Diese könnten ähnlich wie Östrogene indirekten Einfluss auf die Schilddrüsenhormone und deren Eiweißbindung im Blut haben. Siehe auch Soja und andere Goitrogene – verboten oder erlaubt?

  • Ich halte von der genannten Webseite auch nichts. Gerade bei Hashimoto wird von alternativer Seite oftmals suggeriert, die Krankheit wäre harmlos und heilbar. Es schadet sicher nicht, ergänzende Alternative Methoden auszuprobieren. Betonung aber auf ergänzend. Das fehlt mir dann auf genannter Webseite, die den Glutenverzicht als absolutes Heilmittel verkauft.

  • Ich habe Hashimoto. Meine Thyroid Erkrankung hatte mit Hypothyroid and einer Glutenallergie gleichzeitig gestartet. Als meine Aerztin die Thyroidwerte sah hat sie mich zugleich auf Gluten getested und mir empfohlen Gluten in meiner Ernaehrung ganz wegzulassen. Ich hatte bereits Jahre zuvor aufgehört Milchprodukte zu mir zu nehmen. Das weglassen von Gluten hat meine Lebensqualitaet mit einer Thyroid Erkrankung erheblich verbessert. Meine Aerztin, ich selber und viele andere sehen einen direkten Zusammenhang zwischen Thyroid Erkrankungen und Gluten. Herauszufinden ist nur ob Hashimoto durch Gluten ausgelöst werden kann, nebst Stress und anderen Faktoren oder Hashimoto eine Glutenunvertraeglichkeit ausloest. Weglassen lohnt sich auf jeden Fall!

  • Was wurde da genau getestet - Antikörper, die auf Zöliakie hinweisen? Dann ist es selbstverständlich wichtig, Gluten sehr konsequent wegzulassen. Das steht auch so in meinem Gluten-Kapitel, das oben verlinkt ist.

    Aber das ist nicht bei allen Hashimoto-Betroffenen der Fall, es haben auch nicht alle eine Unverträglichkeit. Manche schränken sich teils unnötig ein, meiden Familienfeiern und Mittagessen mit Kollegen, leiden darunter ... manche essen ungesunde Industrie-Ersatzprodukte ohne Gluten ... so viel Verzicht und Zusatzkosten ohne Notwendigkeit? Und das alles, weil der alternative Gesundheitsunternehmer Chris Kresser mit einem Blogartikel ein großes Missverständnis in die Welt gesetzt hat?

    Manche Ärzte haben übrigens auch nur irgendwas bei amerikanischen Bestseller-Autoren aufgeschnappt und keine Original-Studien zum Thema Gluten gelesen.

  • Hallo Irene! Ich habe selbst Hashimoto und beschäftige mich seit gut 12 Jahren mit dem Thema. Es gibt viele verschiedene Meinungen über Hashimoto und seine Ursachen. Dies ist eine der neueren Theorien: Das Pfeiffersche Drüsenfieber, das durch das EBV ausgelöst wird, scheint eine große Rolle bei der Hashimoto-Thyreoiditis zu spielen. Was Gluten angeht, habe ich auch eine andere Meinung. Es scheint, dass viele Menschen mit Hashimoto-Thyreoiditis auch das "Leaky Gut"-Syndrom haben. Wenn dieses Leaky Gut Syndrom sehr ausgeprägt ist, sollte man Gluten in der Tat meiden.

  • Hallo, ich beschäftige mich seit 15 Jahren mit Hashimoto ;-)

    Pfeiffersches Drüsenfieber wird schon lang als Ursache diskutiert. Über die Ursachen von Hashimoto gibt es ein eigenes Kapitel: https://schilddruesen-unterfunktion.de/buch-ratgeber/teil-1/hashimoto-thyreoiditis-ausloeser/

    Für Leaky Gut gibt es keinen wirklich verlässlichen Test, man darf einfach ausprobieren, ob man sich ohne Gluten besser fühlt oder ob man vielleicht etwas anderes nicht verträgt und das beobachten oder testen lassen sollte. Leider trauen viele ihrem Körper nicht mehr und suchen lieber im Internet nach Verbotslisten.

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