Jodsalz verwenden – Jodmangel vorbeugen?
Keine Frage: Jod ist ein essenzielles Spurenelement, jede mehr oder weniger funktionierende Schilddrüse braucht es, um Hormone herzustellen. Doch sollen deswegen alle Menschen Jodsalz verwenden, um einem Jodmangel vorzubeugen? Und kann man diese Frage so pauschal beantworten?
Im März erschien in der Ärztezeitung ein Artikel, der sich der Jodversorgung der Bevölkerung widmete und das Ergebnis des Jodmonitorings vorstellte. Auftraggeber der Studie war u.a. deutsche Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), das die Ergebnisse auf seiner Website präsentierte. Ermittelt wurde die durchschnittliche Jodausscheidung über den Urin, getrennt nach Alter und Geschlecht ausgewertet.
Die Schlussfolgerung des BMEL: „Die aktuelle Jodversorgung der deutschen Bevölkerung liegt im mittleren unteren Bereich der von der WHO geforderten Zufuhr. Deutschland ist also kein Jodmangelgebiet. Allerdings ist diese Jodversorgung noch nicht optimal. 30 Prozent der untersuchten DEGS Population weisen eine Jodzufuhr unterhalb ihres mittleren geschätzten Bedarfs auf. Um ein Absinken der Jodversorgung (…) zu verhindern, sollte als Grundsatz für Verbraucherinnen und Verbraucher aber auch für Lebensmittelindustrie und –handwerk sowie Gastronomie gelten: ‚Wenn Salz, dann Jodsalz!'“
Darauf wandte ich mich mit einigen Fragen an die Pressestelle des BMEL, die meine Mail an die Fachabteilung weitergab – hier meine Fragen, die Antworten des Ministeriums und mein Fazit:
Frage: Warum soll im 21. Jahrhundert ein Kollektiv mit Jod behandelt werden und nicht das Individuum? Anders gesagt: Warum streben Sie an, dass alle Menschen gleich viel Jod zuführen, obwohl der Jodbedarf individuell unterschiedlich ist?
Menschen haben bekanntlich unterschiedliche Lebensstile (Raucher / Nichtraucher, Veganer / Mischköstler), unterschiedliche Veranlagungen (zu Knotenstruma, zu Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse …), unterschiedliche Schilddrüsenwerte (niedrig, normal, hoch) und unterschiedlichste Schilddrüsen-Diagnosen.
Antwort des BMEL: Jod ist ein essentielles Spurenelement. Alle Menschen, selbst Schilddrüsenkranke, haben einen bestimmten Jodbedarf. Die empfohlene Menge liegt dabei in einem Bereich, der im Gegensatz zu einer Unterversorgung keinerlei gesundheitliche Probleme verursacht. Das BMEL überprüft regelmäßig die Jodversorgung, wie auf der Website dargestellt. Überversorgungen konnten demnach nicht festgestellt werden, die Versorgung liegt vielmehr im unteren empfohlenen Bereich.
Frage: Warum verlässt sich das Ministerium auf den Vize-Sprecher einer PR-Kampagne? Siehe https://jodmangel.de/der-arbeitskreis-jodmangel/
Antwort des BMEL: Das BMEL richtet sich nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, sowie den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation. Die Jodsalzprophylaxe ist in Deutschland im Gegensatz zu andern Ländern freiwillig. Insofern bedarf es der ständigen Information über den Nutzen der Verwendung von Jodsalz, um das erreichte Niveau zu halten. Wenn der AK Jodmangel sich diese anerkannten Empfehlungen zu eigen macht und sich für eine Jodsalzprophylaxe öffentlichkeitswirksam einsetzt, spricht das nicht gegen den AK. Auch dass ausgewiesene Experten in der Jodmangeldiagnostik und -therapie in diesem AK sind, spricht für den AK.
Meine Antwort: Dennoch bleiben einige Fragen offen. Menschen mit Überfunktion brauchen sicher kein extra Jod. Der AK Jodmangel versichert zwar, dass Jodsalz keinesfalls schadet, aber das reicht nicht. Dafür bräuchte es eine wissenschaftliche Studie, die beweist, dass das Rückfall-Risiko bei Morbus Basedow unbeeinflusst bleibt, wenn die Betroffenen das Speisesalz konsequent durch Jodsalz ersetzen. Ich gehe davon aus, dass auch Ihre Fachabteilung keine derartige Studie liefern kann. Basedow-Betroffene gezielt mit Jod zu versorgen könnte komplizierte Fragen rund um Ethik und Haftung aufwerfen und zudem Ergebnisse liefern, die dem Arbeitskreis Jodmangel nicht passen.
Das war meine Korrespondenz mit dem BMEL. Wichtig zu wissen ist aber auch, dass die Jodversorgung nicht allein von Jodsalz und Seefisch abhängt. Mehr dazu in meinem Ernährungsbuch für Schilddrüsen-Patientinnen. Das Kapitel Was Sie über Jod wissen sollten ist vollständig in der Amazon-Leseprobe enthalten.
NEU 2021: Mittlerweile wurde der Ratgeber zur Unterfunktion auf diesen Seiten veröffentlicht, er enthält auch ein Kapitel Jod für die Schilddrüse. Dieses berücksichtigt die gesunde Schilddrüse ebenso wie die Hashimoto-Schilddrüse.
Stand: 30. September 2021
Großen Dank an die engagierte Autorin!
Es ist und bleibt also, wie es immer war. Das Riskmanagement des BMEL (ehem. BMELV) lässt sich trefflich mit Lukas „…denn sie wissen nicht, was sie tun…“ bewerten.
Wobei mir allerdings nicht nach Vergebung zumute ist angsichts der statistisch nicht erfassten Fälle vorzeitigen Ablebens von „ProbandInnen“ mit sehr oft unerkannten Überfunktions-/Risikofaktoren (Quelle: Berliner Schilddrüsengespräch 2004).