Wenn eine Unterfunktion oder eine Hashimoto-Thyreoiditis diagnostiziert wird, gibt es im wesentlichen zweierlei ärztliche Reaktionen: Die Betroffenen erhalten ein Rezept für L-Thyroxin oder es heißt, eine Behandlung mit Schilddrüsenhormonen sei derzeit nicht nötig. (Konkrete Tipps zum Beginn der Behandlung siehe übernächstes Kapitel.)

Wer zusätzlich zum Schilddrüsenproblem noch eine Unterfunktion der Nebennierenrinde hat oder vermutet, zum Beispiel durch die Krankheit Morbus Addison, sollte zuerst den Cortisolmangel abklären und behandeln lassen (Link zu Kapitel 7.2). Das ist notwendig, damit die Behandlung mit L-Thyroxin gut vertragen wird und es keine zusätzlichen Probleme gibt. Fragen Sie im Zweifel Ihren Hausarzt oder Ihre Endokrinologin, ob bei Ihnen der morgendliche Cortisolwert gemessen werden sollte. Generell nötig ist das aber nicht.

Bei welchen Schilddrüsenwerten wird behandelt?

Wie hoch der TSH-Wert sein muss oder wie die Konstellation aussehen sollte, damit L-Thyroxin nötig ist, ist in der Medizin weder verbindlich noch einheitlich festgelegt – weder in Fachbüchern noch in Leitlinien. Deshalb kann die Einschätzung der Ärzte und ihre Bereitschaft, jemand L-Thyroxin zu verschreiben, unterschiedlich ausfallen.

Auch die Frage, ob jemand Symptome hat und selbst eine Behandlung möchte, kann eine entscheidende Rolle für die ärztliche Entscheidung spielen. Deshalb ist es in machen Fällen sinnvoll, sich selbst eine Meinung darüber zu bilden.

Behandlung der Unterfunktion – die eindeutigen Fälle

Ist der FT4-Wert erniedrigt, also unter dem Referenzbereich (Normbereich oder Normalbereich) gelegen, ist die Sache klar: Die manifeste Unterfunktion der Schilddrüse soll mit Schilddrüsenhormonen (L-Thyroxin) behandelt werden, weil die Schilddrüse sie nicht im ausreichenden Maß produziert.

Liegt der FT4-Wert zwar noch im Referenzbereich, aber der TSH-Wert ist auf über 10 mU/l angestiegen, empfehlen Ärzte ebenfalls eine Behandlung, und zwar unabhängig davon, ob tatsächlich Symptome der Unterfunktion vorhanden sind. Das geht aus der allgemeinmedizinischen Leitlinie zum erhöhten TSH-Wert hervor.

Link zum PDF: S2k-Leitlinie „Erhöhter TSH-Wert in der Hausarztpraxis“, herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e.V.

Achtung: Die Leitlinie besagt nicht, dass Schilddrüsenhormone bei einem TSH-Wert, der noch unter 10 mU/l liegt, generell unnötig sind, dass Ärzte nichts verschreiben dürfen oder Hashimoto-Betroffene auf ein stark erhöhtes TSH warten sollten! Die Behandlung ab einem TSH von 10 mU/l bezieht sich auf unklare Fälle ohne sonstige Schilddrüsen-Diagnose und ohne Symptome der Unterfunktion. Diese Empfehlung soll in erster Linie verhindern, dass gesunde Menschen allein wegen eines leicht erhöhten TSH-Wertes unnötigerweise behandelt werden.

Behandlung der latenten Unterfunktion (latente Hypothyreose)

Wenn der TSH-Wert erhöht ist, aber noch unter 10 mU/l liegt, kann auf Wunsch der Betroffenen ebenfalls L-Thyroxin verschrieben werden. Die oben erwähnte Leitlinie versteht unter einem erhöhten TSH-Wert einen Wert über 4 mU/l. Wegen der unterschiedlichen Obergrenzen der TSH-Referenzbereiche kann die Diagnose der latenten Unterfunktion und die Einschätzung des TSH-Werts von Praxis zu Praxis unterschiedlich ausfallen.

Wer eine diagnostizierte Hashimoto-Thyreoiditis hat und unter Symptomen leidet, darf auch bei einem TSH-Wert unter 4 mU/l nach einer Behandlung mit L-Thyroxin fragen. Die Betroffenen wissen ja am besten, wie es ihnen geht und spüren möglicherweise, ob ihr Körper Unterstützung braucht. Außerdem können Ärzte nicht von sich aus wissen, welche persönliche Einstellung jemand zu Medikamenten hat, sodass sich ein Gespräch lohnen kann.

Beginn der Behandlung mit L-Thyroxin abwägen

Auch bei Frauen mit Kinderwunsch ist die Behandlung der latenten Unterfunktion mit L-Thyroxin meistens sinnvoll: Eine knappe Versorgung mit Hormonen könnte möglicherweise das Früh- und Fehlgeburtsrisiko erhöhen. In der Schwangerschaft steigt der Bedarf an Schilddrüsenhormonen fast immer an, sodass sich eine Unterfunktion verstärken würde. So weit muss es aber gar nicht kommen, wenn frühzeitig behandelt wird.

Bei der Abwägung, ob eine Behandlung mit L-Thyroxin begonnen werden könnte oder nicht, sollte auch bedacht werden, dass eine Hashimoto-Thyreoiditis sowie eine Tendenz zur Unterfunktion etliche unspezifische Symptome mit sich bringen können, die auf den ersten Blick scheinbar nichts mit der Schilddrüse zu tun haben. In diesem Fall wäre es nicht sinnvoll, auf Schilddrüsenhormone zu verzichten und stattdessen diverse Medikamente gegen allerlei Beschwerden einzunehmen, die womöglich von der Schilddrüse verursacht sind.

Es kommt auch vor, dass ein erhöhter TSH-Wert nur ein Zufallsbefund war und bei einer fachärztlichen Untersuchung weder eine Schilddrüsenkrankheit noch verdächtige Symptome festgestellt werden konnten. Dann ist zwar keine Behandlung mit L-Thyroxin nötig, doch diese Personen sollten für das Folgejahr sicherheitshalber einen Kontrolltermin einplanen, um das Thema nicht voreilig abzuhaken. Außerdem ist es sinnvoll, die wichtigsten Symptome der Unterfunktion zu kennen (Link zurück zu Kapitel 1.1. dieses Online-Ratgebers), um sie rechtzeitig zu bemerken.

Nächstes Kapitel: L-Thyroxin trotz normaler Schilddrüsen-Werte

Zum übernächsten Kapitel springen: Welches L-Thyroxin-Präparat?