Bringt eine Behandlung bei Heilpraktikern etwas bei Hashimoto? Das kommt sehr auf die Behandlung an. Schilddrüsenkranke, die schlechte Erfahrungen mit Ärzten gemacht haben, setzen teilweise große Hoffnungen auf alternative Therapien und deren Versprechen. Das gilt ebenso für Betroffene, die sich nicht trauen oder nicht auf den Gedanken kommen, ihre möglicherweise nicht ganz passenden Schilddrüsenwerte in Frage zu stellen. Doch dass der Arzt manche Probleme nicht ernst genommen hat oder die Hormondosis nicht stimmt, muss noch lange nicht bedeuten, dass die Heilpraktikerin oder auch der alternativ arbeitende Privatarzt eine Lösung hat.

Was versteht man unter einem Heilpraktiker? Für die Zulassung in Deutschland müssen künftige Heilpraktiker in einer Prüfung allgemeine Kenntnisse der Medizin nachweisen, um bei ihren Patientinnen keinen Schaden anzurichten und Kranke rechtzeitig zum Arzt weiterzuschicken. Dass jemand eine Heilpraktiker-Zulassung hat, bedeutet also nicht, dass jemand sämtliche Krankheiten behandeln oder gar auf alternative Weise heilen kann. Heilpraktikerinnen können außerdem keine Hormonpräparate und auch keine anderen rezeptpflichtigen Medikamente verschreiben, ihre Klienten dazu beraten dürfen sie aber schon.

Was machen Heilpraktiker?

Heilpraktiker wenden in ihren Praxen ganz unterschiedliche Methoden an, je nachdem wovon sie persönlich überzeugt sind und welche Fortbildungen sie absolviert haben: Pflanzenheilkunde (siehe voriges Kapitel), Akupunktur, Ayurveda, Aromatherapie, Osteopathie, Homöopathie, Eigenblutbehandlung, Ernährungsberatung, Darmsanierung, Nahrungsergänzung / Nährstofftherapie, Bioresonanz, Neuraltherapie …

Viele dieser Methoden werden auch von Ärzten praktiziert, die teils mehr oder weniger alternativ arbeiten – aufwändige Methoden oft gegen ein privat berechnetes Honorar. Die etablierten Bereiche der Pflanzenheilkunde sowie manche Vitamine und Mineralstoffe kommen auch im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung zum Einsatz. Wenn das Präparat nicht als Kassenleistung drin ist, kann auch eine Kassenärztin ein Privatrezept ausstellen. Doch viele solcher Mittel sind sowieso frei verkäuflich, oft auch in ausreichender Dosierung.

Interessierte sollten sich also genau erkundigen, was jemand im Rahmen einer Privatleistung anbietet, ob die Methode überzeugt und ob sie im Fall einer Hashimoto-Thyreoiditis überhaupt sinnvoll und verträglich ist. Nicht alle Anwender naturheilkundlicher oder alternativer Methoden sind gut über Hashimoto und andere Autoimmunerkrankungen informiert (Link zu Kapitel 7.3.). Einige Heilpraktiker lehnen synthetisch hergestellte Hormone aus Prinzip ab und wollen womöglich die Schilddrüse wieder auf Trab bringen. Die Schilddrüse anzuregen ist aber bei Hashimoto nicht sinnvoll.

Bei manchen Hashimoto-Betroffenen sind die Schilddrüsenmedikamente nicht korrekt dosiert – oft sind sie zu niedrig dosiert, bei einigen auch zu hoch. Manche ziehen aus den vorhanden Symptomen den voreiligen Schluss, dass die Schulmedizin nicht hilft. Andere trauen sich nicht an ihre Schilddrüsenwerte heran oder haben Hemmungen, beim Arzt nachzuhaken. In diesen Fällen hilft es, sich zuerst in Teil 3 über die Behandlung mit L-Thyroxin zu informieren.

Naturheilkunde, Alternativmedizin … was ist was?

Der Begriff Naturheilkunde ist nicht eindeutig definiert, im engeren Sinn versteht man darunter die Behandlung mit pflanzlichen Mitteln, gesunder Ernährung oder Anwendungen mit Wasser und Wärme. Klassiker aus diesem Bereich der Naturheilkunde wären die Kneipp-Kur und das Heilfasten nach Buchinger. Manchmal werden aber auch andere Methoden dazu gezählt – manche Behandlerinnen bezeichnen sogar den Einsatz naturidentischer Sexualhormone (siehe Teil 6) als Naturheilkunde, was sich für viele Klientinnen gut anhört. (So gesehen könnte man eigentlich auch die Einnahme von L-Thyroxin zum Naturheilverfahren erklären, denn L-Thyroxin ist naturidentisch gebaut. Wirklich sinnvoll wäre diese Einordnung aber nicht.)

Die Begriffe Komplementärmedizin und Alternativmedizin sind thematisch noch weiter gefasst als Naturheilkunde und drücken zudem unterschiedliche Einstellungen zu den praktizierten Methoden aus: Die Komplementärmedizin ist als Ergänzung zur etablierten Medizin gedacht, Alternativmedizin als Ersatz dafür. Das wird aber meist nicht sauber unterschieden, man spricht heute häufig von alternativen Methoden.

Die Alternativmedizin bietet aber nicht nur verschiedenste Behandlungen an, sondern auch manche Erklärung für diverse Beschwerden und Krankheiten – vor allem Unwissenschaftliches und Unbewiesenes. Dazu zählen im Bereich Hormone auch die Annahme, dass es eine Nebennierenschwäche durch Erschöpfung der Nebennieren(rinde) (Kapitel 7.2.) geben soll, oder dass Hormone aus Schweineschilddrüse (Kapitel 4.7.) besser sein sollen als L-Thyroxin. Auch das angebliche Glutenverbot bei Hashimoto (Kapitel 8.7.) darf man zur Alternativmedizin zählen. Um Behauptungen rund um Amalgam, Entschlacken und Entgiften geht es im nächsten Kapitel.

Schließlich gibt es noch den Begriff der ganzheitlichen Medizin und ganzheitlichen Betrachtungsweise, was noch unschärfer ist. Wörtlich bedeutet „ganzheitlich“ etwa, dass man über einzelne Fächer hinaus geht und größere Zusammenhänge betrachtet. Das tut dieser Ratgeber übrigens auch. Wenn jemand extra damit wirbt, ganzheitlich zu arbeiten und Hashimoto ganzheitlich zu behandeln, fragen Sie bitte nach, was damit konkret gemeint ist, zum Beispiel: „Was verstehen Sie unter ganzheitlich?“

Mit Hashimoto-Thyreoiditis zum Heilpraktiker?

Es gibt durchaus Heilpraktikerinnen, die die Hashimoto-Thyreoiditis ernst nehmen und die ärztlichen Befunde verstehen – darunter einige, die selbst betroffen sind. Manche veranlassen sogar Laboruntersuchungen in ihrer Praxis, um Mängel an Vitaminen und Mineralstoffen abzuklären oder per Speicheltest diverse Hormone zu messen.

Ein privat zu zahlender Speicheltest der Schilddrüsenhormone bringt aber keine zusätzlichen Erkenntnisse und wirft möglicherweise neue Fragen auf. Deshalb stützen Sie sich besser auf die üblichen Laborwerte im Serum, die Sie in fast jeder Arztpraxis untersuchen lassen können – oft als Kassenleistung und notfalls als Selbstzahlerin.

Die Beseitigung nachgewiesener Mineral- und Vitaminmängel ist aber meistens sinnvoll oder sogar notwendig. Hier könnten viele Betroffene etwas Unterstützung brauchen und bekommen sie teilweise bei einem entsprechend erfahrenen Heilpraktiker. Benötigte Vitamine und Mineralien brauchen Sie normalerweise nicht direkt über die Praxis kaufen, denn dabei handelt es sich in manchen Fällen um teuren Direktvertrieb.

Alternativmedizin statt L-Thyroxin?

Benötigtes L-Thyroxin abzusetzen, nur weil ein forscher Behandler eine baldige Heilung verspricht, kann dazu führen, dass sich eine Unterfunktion oder zumindest ein spürbares hormonelles Defizit entwickelt (siehe Kapitel 1.1 Symptome der Unterfunktion). Das brauchen Sie aber nicht zu riskieren, denn Methoden der Komplementärmedizin können begleitend zu den Schilddrüsenhormonen angewandt werden. Falls Ihr Hormonbedarf eines Tages tatsächlich sinken sollte, aus welchen Gründen auch immer, wird sich dies sowieso anhand der Laborwerte und des veränderten Befindens zeigen. Erzwingen kann man das allerdings nicht.

Gesetzliche Krankenkassen in Deutschland übernehmen keine Behandlungskosten bei Heilpraktikern. Allerdings bieten manche Zusatzversicherungen einen Heilpraktiker-Tarif an, bei dem zumindest ein Teil der Rechnung erstattet wird. Der Anteil der Erstattung kann auch davon abhängen, ob die Heilpraktikerin nach der Gebührenordnung abrechnet oder deutlich mehr verlangt. In Österreich gibt es keine Heilpraktiker, in der Schweiz werden sie Naturärzte genannt.

Nächstes Kapitel: Amalgamsanierung und Entgiftung wegen Hashimoto?

Übernächstes Kapitel: Hoch dosiertes Jod als alternative Therapie?