Die Erfahrung zeigt, dass die zusätzliche Einnahme des Schilddrüsenhormons T3 den TSH-Wert noch weiter absinken lässt. Dann liegt er nicht selten deutlich unter dem Referenzbereich. Das kann sogar passieren, wenn der fT3-Wert durch die T3-Einnahme kaum angestiegen ist.

Das Problem dabei: Viele Ärztinnen gewichten den TSH-Wert wesentlich stärker als die freien Hormonwerte (fT3 und fT4) und akzeptieren einen erniedrigten TSH-Wert nicht. Manche Behandler tun das nicht einmal bei niedrig-normalen freien Hormonen, die einer Überfunktion vollkommen unverdächtig sind. Einzelne Ärzte halten den TSH-Wert gar für einen unter allen Umständen unfehlbaren Anzeiger der hormonellen Lage, was aber den Zusammenhängen nicht gerecht wird.

Was tun bei latenter Überfunktion?

Hier eine kleine Wiederholung der Fachbegriffe: Einen TSH-Wert unterhalb der Normgrenze (also meist unter 0,3 mU/l) in Verbindung mit freien Hormonen innerhalb des Normbereichs nennen Ärztinnen eine „latente Überfunktion“. Ein kaum noch messbares TSH unter 0,05 mU/l wird als „supprimiert“ bezeichnet, das heißt, die TSH-Ausschüttung ist unterdrückt.

Falls das unbedingt vermieden werden sollte, müsste entweder das T3-Präparat wieder abgesetzt oder L-Thyroxin deutlich reduziert werden. Falls fT4 vor dem T3-Beginn hoch-normal im Referenzbereich lag, sind die Chancen gut, dass etwas weniger L-Thyroxin genügt, doch das ist ja nicht immer der Fall. Folglich haben viele Patientinnen während der T3-Behandlung entweder ein normgerechtes TSH und dazu unzureichende freie Hormonwerte, oder ein niedriges bis supprimiertes TSH und individuell passende freie Werte.

Eine Wahl sollte zumindest den Betroffenen leicht fallen, da man ein niedriges TSH nicht direkt spürt, freie Hormone deutlich unterhalb des persönlichen Optimums aber schon. Allerdings machen viele Ärzte Druck, sobald der TSH-Wert unter den Referenzbereich rutscht – wer die Dosis nicht sofort deutlich reduziert, hat angeblich die Folgeschäden schon in der Tasche.

Eine für alle Beteiligten völlig zufriedenstellende Lösung dieses TSH-Dilemmas gibt es beim derzeitigen Forschungsstand noch nicht. Freie Hormone und Befinden ganz auszublenden und sich nur auf den TSH-Wert zu stützen, würde den hormonellen Zusammenhängen jedenfalls nicht gerecht. Es scheint inkonsequent, wenn einige Ärzte – manchmal ohne Notwendigkeit – ein Kombipräparat mit hohem T3-Anteil verschreiben und anschließend darauf bestehen, dass der TSH-Wert im Referenzbereich bleiben muss. Hier wäre mehr Flexibilität und Gesprächsbereitschaft von ärztlicher Seite wünschenswert.

Manche Ärztinnen sehen es als vertretbaren Kompromiss an, wenn der TSH-Wert im messbaren Bereich bleibt (also über 0,05 mU/l), auch wenn er unter den Referenzbereich absinken sollte. Ob damit passende freie Werte und gutes Befinden erreicht werden, müsste individuell betrachtet werden – mit einer mäßigen T3-Dosis bestehen immerhin Chancen.

Risiken eines niedrigen TSH-Wertes

Welche Risiken birgt nun ein erniedrigter bis supprimierter TSH-Wert für sich allein, wenn ansonsten weder eine Überfunktion bei fT3 und fT4 noch eine individuelle Überdosierung vorliegt? Endgültig lässt sich das noch nicht beantworten. Geäußerte Bedenken beziehen sich vor allem auf Herzbeschwerden und Osteoporose.

Diverse Herzprobleme können bei einer Überdosierung, aber auch bei einer Unterdosierung der Schilddrüsenhormone vorkommen, sodass ein guter TSH-Wert für sich allein auch nichts helfen würde, wenn gleichzeitig die freien Hormonwerte individuell deutlich zu niedrig wären. Lassen Sie sich im Zweifel beim Kardiologen untersuchen, der allerdings kein Spezialist für die Dosierung der Hormone ist.

Die gefürchtete Osteoporose betrifft vor allem Frauen mit und ohne Schilddrüsenerkrankung in der zweiten Lebenshälfte, schlanke Frauen sind dabei stärker gefährdet als andere. Aber auch Männer und jüngere Frauen können an einer Osteoporose erkranken, es ist auch eine Sache der familiären Veranlagung und einiger weiterer Risikofaktoren.

Der momentane Stand hinsichtlich der Schilddrüsenwerte ist, dass in erster Linie hohe (f)T3-Werte unter Verdacht stehen, den Knochenabbau zu fördern, weil fT3 den Stoffwechsel beschleunigt. Völlig abgehakt ist die TSH-Frage damit aber noch nicht, weil es TSH-Rezeptoren an den Knochen gibt.

T3 und die Knochendichte

Die aktuelle Knochendichte können Sie untersuchen lassen, falls überprüft werden soll, ob sie schon leicht oder stark vermindert ist (Osteopenie oder Osteoporose). Dafür wäre die DXA-Messung der Wirbelsäule und der Oberschenkelhälse gut geeignet. Wer das persönliche Osteoporose-Risiko senken will, sollte vorbeugend dafür geeignete Sportarten praktizieren. Besonders gut wirken solche, bei denen auch Sprünge vorkommen, zum Beispiel Volleyball oder Trampolin-Training. Für die Oberschenkelhälse ist es gut, wenn die Hüfte beim Training gefordert wird, zum Beispiel beim Rudern. Außerdem ist es wichtig, auf eine gute Versorgung mit Vitamin D zu achten (ausführlich erklärt in Kapitel 11.4.).

Das vorläufige Fazit: Es sollte nur so viel T3 eingenommen werden, wie mindestens benötigt wird, um sich gut zu fühlen und die Symptome der Unterfunktion hinter sich zu lassen. Dabei sollte man realistisch bleiben: Auch gesunde Menschen fühlen sich nicht immer dynamisch und energiegeladen.

Dass eine manifeste Überfunktion mit der Zeit den Knochen schaden kann, ist unbestritten. Aber auch fT3-Werte, die noch innerhalb des Referenzbereichs liegen, könnten individuell zu hoch sein und den Stoffwechsel mehr als nötig beschleunigen. Es kann sich lohnen, den Ruhepuls zu beobachten, denn bei vielen Menschen zeigt ein gestiegener Puls eine Überdosierung der Schilddrüsenhormone an. Dieses Problem kann durch zu viel T3 oder auch durch zu viel T4 verursacht worden sein.

Fachliteratur: Nehls, Volker: Osteoarthropathien und Myopathien bei Schilddrüsenerkrankungen. In: Dtsch Med Wochenschr 2018; 143:1174–1180

T3-Dosierung und Körpergewicht

Eine Gewichtszunahme könnte zwar ein Symptom eines individuell zu niedrigen fT3-Wertes sein. Dennoch sollte die T3-Dosierung nicht darauf abzielen, möglichst schnell an Gewicht zu verlieren. Eine Überdosis T3 hilft sowieso nicht unbedingt beim Abnehmen, denn bei vielen Menschen steigt mit dem fT3-Wert auch der Appetit. Das bedeutet umgekehrt auch: Schlanke Menschen müssen nicht generell auf T3 verzichten, auch sie können sich bei Bedarf zumindest probehalber T3 verschreiben lassen und nebenbei beobachten, wie sich das zusätzliche Hormon auf ihr Gewicht auswirkt.

T3 wird im Körper schneller verbraucht als T4, die Halbwertszeit liegt unter 24 Stunden. Das heißt, wenn Sie T3 absetzen, ist seine Wirkung nach wenigen Tagen verpufft. Trotzdem kann es einige Zeit dauern, bis die Schilddrüsenwerte untereinander ihr neues Gleichgewicht gefunden haben. Deshalb sollten Sie auch nach einer Veränderung der T3-Dosis einige Wochen abwarten, bis die Schilddrüsenwerte erneut gemessen werden. Vielleicht kann Ihnen bei Bedarf jemand einen Arzt empfehlen, der mit der T3-Behandlung viel Erfahrung hat und auch auf die freien Hormonwerte achtet.

Voriges Kapitel: T3-Präparate zusätzlich einnehmen

Nächstes Kapitel: T3 feiner dosieren und „splitten“

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