Neben den gängigen, synthetisch hergestellten Hormonen sind auch natürliche Schilddrüsenhormone auf dem Markt, die aus getrockneten Schilddrüsen des Schweins gewonnen werden. Man nennt diese Präparate auch „Schilddrüsen-Extrakt“. Sie enthalten neben Thyroxin (T4) auch Trijodthyronin (T3), weshalb das Thema an dieser Stelle behandelt wird – es handelt sich gewissermaßen um ein natürliches Kombipräparat. Ferner enthalten die natürlichen Hormone etwas T2, das wahrscheinlich keine praktische Bedeutung hat. Schilddrüsen-Präparate vom Rind gibt es im Prinzip auch, sind aber seit der BSE-Krise schwerer zu bekommen.

Hallo Besucher von Google, Bing und Ecosia: Sie sind im Online-Ratgeber „Schilddrüsen-Unterfunktion, Hashimoto und Hormone“ im Teil 4 für Fortgeschrittene über T3-Einnahme und mehr. Weitere Themen finden Sie im Inhaltsverzeichnis, das Anmeldeformular zum Newsletter ist hier auf der Seite ganz unten.

Schilddrüsen-Extrakt als Privatleistung

Natürliche Schilddrüsenhormone wurden schon zur Behandlung einer Unterfunktion eingesetzt, bevor es die heute gängigen Tabletten mit L-Thyroxin gab. In den vergangenen Jahren ist der Extrakt vom Schwein wieder in Mode gekommen: Unter Heilpraktikerinnen und einzelnen Ärzten für Naturheilkunde haben sie einen besseren Ruf als L-Thyroxin, das zwar auch naturidentisch gebaut ist, aber in den Labors großer Pharmaunternehmen hergestellt wird. Der alternative Ruf des Schilddrüsenextrakts ändert aber nichts daran, dass es sich um ein Medikament handelt, das dem Hormonersatz dient.

Ärzte können natürliche Schilddrüsenhormone auf Privatrezept verschreiben, sie müssen dann von gesetzlich Versicherten selbst bezahlt werden. Einige wenige Apotheken stellen sie selbst her, manche internationale Apotheken importieren sie aus Nordamerika. Es ist auch schon zu Lieferengpässen gekommen. Die genaue Zusammensetzung kann sich von Hersteller zu Hersteller unterscheiden, sodass auch hier ein Präparatewechsel nicht unbedingt empfehlenswert ist.

Natürliche Schilddrüsenhormone besser verträglich?

Manche Menschen vertragen natürliche Hormone besser als synthetische. Das könnte daran liegen, dass die Hormone im Schilddrüsen-Extrakt nicht in freier Form vorliegen, sondern an Proteine gebunden sind. Dadurch entfällt das morgendliche „Anfluten“ weitgehend, unter dem einzelne Menschen auch nach längerer Gewöhnung an L-Thyroxin noch leiden. Am Tag der Blutentnahme sollten die natürlichen Hormone trotzdem erst hinterher genommen werden – sicher ist sicher.

Natürliche Schilddrüsenhormone wirken aber nicht in jedem Fall sanfter und verträglicher als synthetisch hergestellte Hormone. Einzelne, entsprechend empfindliche Personen vertragen anscheinend den natürlichen Histamingehalt des Schilddrüsen-Extrakts nicht gut. (Siehe auch Kapitel 7.4. über Verdauungsbeschwerden und Unverträglichkeiten.)

Wegen der gebundenen Hormone kann man außerdem provisorisch davon ausgehen, dass eine Behandlung mit Schilddrüsen-Extrakt den TSH-Wert weniger absenkt als die Einnahme der gleichen Hormonmenge in freier Form (siehe Kapitel 4.3 über das TSH-Dilemma), auch wenn es offenbar noch keine Studien dazu gibt. Wenn Sie aber deutlich mehr T3 oder insgesamt mehr Schilddrüsenhormone einnehmen als Sie eigentlich bräuchten, dürfte das wieder anders aussehen und der TSH-Wert trotz der gebundenen Hormone im Extrakt deutlich sinken.

Vorsicht, Schilddrüsenhormon vom Schwein enthält viel T3!

Bei der Hormoneinstellung gibt es ein praktisches Problem: Schweine haben von Natur aus ein höheres T3-T4-Verhältnis als der Mensch. Diese natürlichen Hormone sind also in erster Linie für das Schwein natürlich, für den Menschen schon weniger – der erhebliche T3-Anteil im natürlichen Präparat kann für Menschen viel zu hoch sein.

Falls sich herausstellt, dass das tatsächlich der Fall ist, wird es notwendig, dieses natürliche Kombinationspräparat bei der betroffenen Person mit herkömmlichem L-Thyroxin zu ergänzen, um nicht mit T3 überdosiert oder mit T4 unterdosiert zu sein oder gar beides zugleich. Wenn man den Extrakt anwendet und sich auch um eine sorgfältige Hormoneinstellung bemüht, läuft das oft auf so eine Kombination hinaus. Das kann bei hohem FT3-Wert oder Symptomen der Überdosierung so aussehen, dass die natürlichen Hormone vom Schwein reduziert werden und ein niedriger FT4-Wert durch zusätzliches L-Thyroxin ausgeglichen wird. Die passende Dosis muss wie sonst auch individuell gefunden werden.

Natürliche Schilddrüsenhormone kombiniert mit L-Thyroxin

Wegen des hohen T3-Anteils ist es sogar schon vorgekommen, dass ein Hersteller den Hormonen vom Schwein ein wenig synthetisch hergestelltes L-Thyroxin hinzugefügt hat, um den für den Menschen unnatürlich hohen T3-Anteil auszugleichen. Dieses Mischungsverhältnis nach Schema F muss aber auch nicht für alle passen, sodass es sinnvoller wäre, die natürlichen Hormone individuell mit L-Thyroxin zu ergänzen. Erkundigen Sie sich in der Apotheke vor der ersten Verschreibung genau, welche Hormone tatsächlich enthalten sind und was auf dem ärztlichen Privatrezept stehen sollte, damit Sie auf Anhieb das benötigte Produkt bekommen.

Es spricht sonst nichts Grundsätzliches dagegen, L-Thyroxin und den Schilddrüsen-Extrakt zusammen einzusetzen: Ein natürliches Präparat muss nicht immer besser sein, manchmal ist es nur teurer und komplizierter. Es ist deshalb sinnvoll, die Behandlung mit Schilddrüsenhormonen auf die herkömmliche Art mit L-Thyroxin-Tabletten zu beginnen (siehe Teil 3 – Behandlung mit L-Thyroxin) und erst dann auf natürliche Hormone umzusteigen, wenn es Gründe dafür gibt.

Die Umstellung von L-Thyroxin auf Schweinehormone

Wer bereits L-Thyroxin nimmt, hat es möglicherweise etwas einfacher: Wer bereits akzeptable Schilddrüsenwerte, aber kein gutes Befinden erreicht hat, kann schrittweise auf die natürlichen Hormone umstellen. Dafür wird L-Thyroxin nach und nach reduziert und durch den Schilddrüsenextrakt ersetzt. Vielleicht stellt sich auf diesem Weg heraus, dass L-Thyroxin gar nicht komplett ersetzt werden braucht.

Wer zum Beispiel L-Thyroxin gut verträgt, aber mit den herkömmlichen T3-Präparaten trotz eines sehr niedrigen fT3-Werts nicht zurecht kommt, könnte L-Thyroxin versuchshalber mit dem tierischen Extrakt kombinieren. Das heißt, man könnte die natürlichen Schilddrüsenhormone in erster Linie zur T3-Substitution verwenden. Für diesen Zweck sollte man mit der niedrigsten Dosis des Schilddrüsen-Extrakts beginnen, ihn mit L-Thyroxin kombinieren und dann ähnlich vorgehen wie in den vorausgehenden Kapiteln beschrieben.

Manche Apotheken oder Behandler bieten Umrechnungs- oder Umstellungstablellen an, die auflisten, wie viel L-Thyroxin eine Dosis des Schilddrüsenextrakts ersetzen soll. Diese sind aber nicht wissenschaftlich geprüft. Wer sowieso nicht vor hat, L-Thyroxin komplett durch die Schweinehormone zu ersetzen, kann sich einfach am T4-Gehalt orientieren. Auch dann könnten Sie ähnlich vorgehen wie bei der Dosierung synthetischer Kombipräparate aus T3 und T4 (Link zurück zu Kapitel 4.4.).

Wer vom gewohnten Schilddrüsenextrakt auf die Schweinehormone eines anderen Herstellers umsteigt, sollte nach angemessener Zeit die Schilddrüsenwerte überprüfen lassen wie bei einem herkömmlichen Präparatewechsel: Möglicherweise sollte die Dosis angepasst werden.

Falls Sie Ihren Umstieg persönlich mit mir besprechen möchten, können Sie eine Einzelberatung buchen, siehe Impressum.

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