Cortisol ist ein Hormon der Nebennierenrinde. Die Nebennieren sind kleine Drüsen, die oben auf den Nieren sitzen, sie schütten diverse Stresshormone aus. Cortisol hat mehrere wichtige Funktionen im Körper. Besonders bei Stress aktiviert Cortisol den Stoffwechsel, sodass mehr Energie bereit gestellt wird: Blutzuckerspiegel und Blutdruck steigen, das Herz schlägt kräftiger, die Aufmerksamkeit erhöht sich, der Appetit nimmt tendenziell zu. Außerdem wirkt Cortisol leicht entzündungshemmend.
Liebe Besucher von Google, Bing und Ecosia: Sie befinden sich im Online-Ratgeber „Schilddrüsen-Unterfunktion, Hashimoto und Hormone“ im Teil 7 über begleitende Krankheiten und Probleme. Weitere Themen finden Sie im Inhaltsverzeichnis.
Inhalte dieses Kapitels
Die Cortisol-Produktion und ihr Steuerhormon
Die Cortisol-Ausschüttung wird vom Steuerhormon ACTH gesteuert, welches von der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) ausgeschüttet wird. Das ACTH hat also für das Cortisol eine vergleichbare Rolle wie das TSH für die Schilddrüse (siehe Kapitel 2.2 über die Diagnose der Unterfunktion per TSH-Wert).
Die Cortisol-Ausschüttung unterliegt einem Tagesrhythmus: Morgens ist der Cortisolwert am höchsten und sinkt im Lauf des Tages ab. Bei Stress wird mehr ACTH ausgeschüttet, weil mehr Cortisol gebraucht wird, um den Stress zu bewältigen. Kommt es zu einem Burnout, funktionieren diese Hormonachse und der Tagesrhythmus nicht mehr richtig.
Die normale Cortisol-Ausschüttung einer gesunden Nebennierenrinde liegt etwa zwischen 30 und 40 mg pro Tag. Für Hormonstörungen rund um die Nebennieren ist die Endokrinologie zuständig. Der Cortisolwert wird morgens nüchtern im Serum gemessen. Außerdem ist es möglich, Cortisol im 24-Stunden-Sammelurin sowie im Speichel zu bestimmen. Ein eindeutiger Mangel lässt sich aber aus dem Speicheltest nicht ablesen.
Sowohl ein Zuviel als auch ein Zuwenig kann diverse Probleme mit sich bringen. Erhöhtes Cortisol nennt man auch Hypercortisolismus. Führt das zu körperlichen Veränderungen, spricht man vom Cushing-Syndrom: Typisch sind Fett- und Wassereinlagerungen, äußere Erkennungszeichen sind ein Vollmondgesicht und ein Stiernacken. Beruht das Problem nicht auf einer medizinischen Behandlung mit hoch dosiertem Cortison, die solche Symptome mit sich bringen kann, muss die Ursache abgeklärt werden.
Symptome des Cortisolmangels und Morbus Addison
Auch ein Mangel an Cortisol bringt Beschwerden mit sich. Eine bekannte, aber relativ seltene Krankheit der Nebennierenrinde ist Morbus Addison – eine Insuffizienz der Nebennierenrinde. Diese Erkrankung ist meist autoimmun bedingt, sie führt mit der Zeit zu starkem Cortisolmangel und entsprechend heftigen Symptomen: Schwächegefühl und niedriger Blutdruck, Appetitmangel und Gewichtsverlust sind möglich, im Extremfall eine Addison-Krise mit Übelkeit, Erbrechen oder Schock.
Morbus Addison kann auch zusammen mit Hashimoto auftreten. Oft kann die Krankheit per Antikörpertest nachgewiesen werden. Da die Cortisol-Produktion von der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) gesteuert wird, kann auch eine Hypophysen-Insuffizienz zu Cortisolmangel und weiteren Hormonstörungen führen. Bei Verdacht können weitere endokrinologische Untersuchungen sinnvoll sein (ACTH-Stimulationstest, CRH-Test).
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Ist jemand von einem Cortisolmangel und einer Unterfunktion der Schilddrüse betroffen, sollte zuerst der Cortisolmangel behandelt werden, bevor anschließend mit Schilddrüsenhormonen begonnen wird. Darauf weist auch die Packungsbeilage der L-Thyroxin-Tabletten hin. Das bedeutet aber nicht, dass sich alle Menschen mit einer Unterfunktion der Schilddrüse zusätzlich auf Störungen der Cortisolausschüttung und der Nebennierenrinde untersuchen lassen müssen – das gilt nur bei einem entsprechenden Verdacht.
Behandlung des Cortisolmangels
Einen Cortisolmangel aufgrund von Morbus Addison behandeln Ärzte meistens mit Hydrocortison. Dieses Hormonpräparat ist synthetisch hergestellt und entspricht dem natürlichen Cortisol. Die benötigte Dosis wird über den Tag verteilt zu den Mahlzeiten eingenommen. Das Ziel dabei ist nicht die Unterdrückung des Immunsystems wie bei einer hoch dosierten Cortison-Behandlung, sondern die fehlenden Hormone zu ersetzen.
Wer ein Medikament als Cortisolersatz einnimmt, sollte sich einen Notfallausweis ausstellen lassen. Außerdem sollten Sie sich vom behandelnden Arzt gut beraten lassen, inwieweit Sie die Dosis bei besonderen Anforderungen anpassen dürfen oder sollen. Da Cortisol die Schilddrüsenhormone beeinflussen könnte, sollten TSH, fT3 und fT4 nach einiger Zeit überprüft werden.
Auch bei starkem Burnout verschreiben manche Ärzte übergangsweise Hormone, die wegen der gestörten Hormonachsen in zu geringen Mengen ausgeschüttet werden. Allerdings kann eine Behandlung mit Hydrocortison dazu führen, dass die Eigenproduktion der Nebennierenrinde noch weiter abnimmt. Das erhöht je nach Dosis und Dauer der Einnahme das Risiko, dass es auf Dauer vielleicht gar nicht mehr ohne diese Medikamente gehen wird. Außerdem kann zu viel Hydrocortison die Produktion von Sexualhormonen hemmen (Link zu Teil 6).
Alternativ-Diagnose „Nebennierenschwäche“
Wer im Internet nach diversen Symptomen rund um Stress und Erschöpfung sucht, wird früher oder später auf Webseiten stoßen, die solch unspezifische Probleme mit einer Nebennierenschwäche erklären möchten. Es wird oft behauptet, dass die Nebennieren durch eine zu hohe Beanspruchung erschöpfen können, etwa durch andauernden Stress und Überlastung, aber auch durch chronische Schmerzen oder eine jahrelang unbehandelte Unterfunktion. Der hormonelle Regelkreis, also die Steuerung der Cortisol-Ausschüttung durch ACTH, wird dabei nicht unbedingt berücksichtigt. Oft dienen diese Seiten dazu, Nahrungsergänzungsmittel zu verkaufen oder privat zu zahlende Cortisol-Speicheltests zu bewerben.
Einige Privatärzte, Heilpraktikerinnen und Labors bieten nämlich Einzelmessungen und Tagesprofile an, die das freie Cortisol im Speichel untersuchen und zum Teil gezielt hinsichtlich einer angeblichen Nebennierenschwäche auswerten. Diese Tests reagieren sensibler, aber auch störanfälliger als die übliche Erfassung das Gesamt-Cortisols im Serum. In der Endokrinologie wird ein Speicheltest manchmal verwendet, um bei hohen Werten – besonders am Abend – ein Cushing-Syndrom festzustellen.
Rechnen Sie nicht unbedingt damit, dass Speicheltests auch anerkannt werden, um angeblich zu niedrige Werte nachzuweisen. Es dürfte außerdem nicht leicht sein, eine Arztpraxis zu finden, die Hydrocortison oder ein verwandtes Präparat verschreibt, wenn keine allgemein anerkannte Diagnose vorliegt. Wegen der oben beschriebenen Risiken ist das normalerweise auch nicht empfehlenswert.
Zum Vergleich: Bei unklarer Diagnose wäre ein Behandlungsversuch mit Schilddrüsenhormonen viel unproblematischer als einer mit Hydrocortison. Denn eine weitgehend gesunde Schilddrüse kann ihre Hormonproduktion normalerweise wieder steigern, sobald die Tabletten reduziert oder abgesetzt werden.
Müdigkeit, Energiemangel, Erschöpfung – und nun?
Einige der eher unspezifischen Symptome wie Müdigkeit, Energiemangel und Erschöpfung, die oft behelfsmäßig der Alternativ-Diagnose „Nebennierenschwäche“ zugeschrieben werden, dürften nicht selten eine andere Ursache haben. In Frage kommen zum Beispiel eine Tendenz zur Unterfunktion der Schilddrüse, Insulinresistenz und Diabetes (Kapitel 7.5.), ein niedriger Blutdruck (Kapitel 7.6.), eine Histamin-Unverträglichkeit, eine Depression oder ein Burnout (Link zum vorigen Kapitel): Ein Burnout kann ja tatsächlich Störungen der Hormonachsen und der Cortisol-Ausschüttung mit sich bringen. Frauen ab 40 könnten sich zudem über Prämenopause und Wechseljahre (Kapitel 6.2.) informieren – vielleicht sind einige unspezifische Beschwerden damit erklärbar.
Wer bereits eine diagnostizierte Unterfunktion hat und täglich L-Thyroxin einnimmt, sollte sich auch nicht unbedingt damit begnügen, dass die Schilddrüsenwerte laut Arzt irgendwo im Normalbereich sind: Oft gibt es trotzdem etwas Spielraum bei der Dosierung. Der Optimalbereich ist bei den meisten Menschen enger als der Normalbereich des Labors – das ist eine individuelle Sache. – Mehr zur Behandlung mit L-Thyroxin lesen Sie in Teil 3.
Auch eine knappe Versorgung mit manchen Vitaminen (Teil 11) oder Mineralstoffen und Spurenelementen (Teil 10) kann zu Müdigkeit und Erschöpfung führen: Unter Hashimoto-Betroffenen spricht man oft von Nebenbaustellen. Versteifen Sie sich also nicht wegen scheinbar passender Symptome auf das Thema Cortisolmangel durch angeblich erschöpfte Nebennieren – nutzen Sie lieber anerkannte Bereiche der Diagnostik und Beratung, um die Ursache zu finden und Behandlungsmöglichkeiten zu nutzen.
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