Wird die Schilddrüse per Operation entfernt, müssen die lebensnotwendigen Schilddrüsenhormone danach dauerhaft als Medikament eingenommen werden. Dieses Kapitel erklärt, wie das praktisch funktioniert.

Gründe für eine Schilddrüsen-Operation

Es gibt verschiedene Gründe für eine Schilddrüsen-Entfernung, die von Ärzten als Thyreoidektomie bezeichnet wird. Der häufigste Grund ist eine stark vergrößerte Schilddrüse (Struma) mit oder ohne Knoten. Eine Operation kann unter anderem auch sinnvoll sein, wenn eine Autoimmunerkrankung der Schilddrüse gemeinsam mit problematischen Knoten auftritt.

Operation im OPAuch wenn es bei einer Mischform aus Hashimoto und Basedow (Link zum vorigen Kapitel) längerfristig nicht recht gelingt, die Schilddrüsenwerte medikamentös einzustellen, wird manchmal empfohlen, die Schilddrüse zu entfernen. Die Autoimmunerkrankung verschwindet dadurch zwar nicht – das Immunsystem wird weiterhin falsch programmiert sein und ggf. auf noch vorhandenes Restgewebe reagieren – aber die Hormonschwankungen bleiben aus.

Eine Hashimoto-Thyreoiditis ohne zusätzliche Probleme ist aber in den meisten Fällen kein ausreichender Grund für eine Operation, die ja auch mit gewissen Risiken verbunden ist: Zu den möglichen Komplikationen zählen Nachblutungen, Probleme mit den Stimmbändern und den Nebenschilddrüsen. Solche Komplikationen treten in Kliniken, die auf Operationen der Schilddrüse spezialisiert sind, seltener auf. Es lohnt sich also, Hausärzte und Betroffene in der eigenen Region nach Empfehlungen zu fragen. Schilddrüsen-Operationen sind nicht selten, sodass es überall viele Erfahrungen geben sollte. Ist Basedow am Problem beteiligt, sollte die Schilddrüse vollständig entfernt werden, was etwas schwieriger zu operieren ist als einen Schilddrüsenrest im Körper zu belassen. Hier ist eine zertifizierte Klinik besonders sinnvoll.

Link: Zertifizierte Kliniken für Schilddrüsen-Operationen (Klinik-Kompass für Deutschland)
www.klinikkompass.com/kliniken-fuer-schilddruesen-operationen-in-deutschland/

Link: Leitlinie zur operativen Therapie benigner (gutartiger) Schilddrüsenerkrankungen
www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/088-007.html

Außerdem ist es sinnvoll, vor der Operation den Vitamin-D-Wert (Link zu Kapitel 11.4.) zu kontrollieren und wenn nötig, den Speicher aufzufüllen. Der Grund: Vorübergehende Probleme mit den Nebenschilddrüsen sind nicht selten, und diese steuern den Kalziumstoffwechsel. Daher müssen die Betroffenen Kalzium einnehmen, bis sich die Lage wieder normalisiert hat. Kalzium (Kap. 10.7.) wird besser aufgenommen, wenn der Körper gut mit Vitamin D versorgt ist.

Der Beginn mit L-Thyroxin nach der Operation

Meistens bekommen die Operierten ihre Hormone erst, nachdem das Schilddrüsengewebe im Labor untersucht und Krebs ausgeschlossen wurde. Der Hintergrund: Falls im entfernten Gewebe ein differenzierter Schilddrüsenkrebs festgestellt wird, lässt man die Betroffenen üblicherweise mit Absicht in eine Unterfunktion fallen. Dadurch steigt der TSH-Wert an, und die folgende Radiojodtherapie beseitigt das Restgewebe und auch eventuelle Metastasen komplett. Daher sind die Prognosen bei dieser Krebserkrankung sehr gut.

Doch lassen Sie sich nicht zu lange hinhalten: Sie haben zwar einen Hormonvorrat im Körper, der Ihr Überleben für etliche Wochen sichert. Aber der Hormonspiegel fällt nach der Operation bald spürbar ab, sodass Sie ohne L-Thyroxin schon nach einigen Tagen bis wenigen Wochen deutliche Symptome der Unterfunktion bekommen können (Link zurück zu Kapitel 1.1 dieses Ratgebers).

Falls tatsächlich jemand Schilddrüsenkrebs haben sollte, gäbe es eine Alternative zur vorsätzlichen Unterfunktion: Das nötige TSH könnte vor der Radiojodtherapie als Medikament verabreicht werden, was allerdings nicht ganz billig wäre. Gleich nach der Operation mit L-Thyroxin anzufangen muss also nicht falsch sein – besprechen Sie dieses Thema schon vor der Operation mit der Endokrinologin oder dem Hausarzt. Das gilt besonders, wenn Sie Morbus Basedow oder Depressionen haben, denn hier könnte sich eine Unterfunktion noch ungünstiger auswirken als bei anderen operierten Menschen.

Link: Schilddrüsenkrebs: Thyrogen – Nachsorge ohne Einschränkungen (Ärzteblatt)
www.aerzteblatt.de/archiv/31293/Schilddruesenkrebs-Thyrogen-Nachsorge-ohne-Einschraenkungen

Dosierung von L-Thyroxin nach Schilddrüsen-Entfernung

Nach der Operation werden die Hormone nicht niedrig dosiert eingeschlichen, denn die Arbeit der Schilddrüse soll sofort durch die Tabletten ersetzt werden. Dafür wird die Dosis entsprechend hoch angesetzt und richtet sich am Anfang provisorisch nach dem Körpergewicht: Pro Kilogramm rechnet der Arzt mit etwa 1,5 bis 1,8 µg L-Thyroxin. Wer zum Beispiel 60 kg wiegt, bekommt wahrscheinlich 100 µg L-Thyroxin. Bei Übergewicht sollte die provisorische Anfangsdosis eher knapp kalkuliert werden, weil Fettgewebe weniger Hormone braucht als Muskulatur. Wenn nur ein Teil der Schilddrüse entfernt wurde, zum Beispiel einer der beiden Lappen, wird eine geringere Dosis benötigt.

Die weitere Hormoneinstellung verläuft ähnlich wie bei nicht Operierten (siehe auch Teil 3 – Behandlung mit L-Thyroxin in diesem Online-Ratgeber): Nach vier bis sechs Wochen mit der selben Dosis sollten Sie die Schilddrüsenwerte messen lassen und die Hormondosis genauer anpassen. Auch hier können mehrere Schritte notwendig werden, bis die Dosis schließlich stimmt. Eine Formel, mit der jemand den tatsächlichen oder endgültigen Hormonbedarf operierter Menschen berechnen könnte, gibt es nicht, das ist immer eine individuelle Sache.

Die weitere Behandlung bei Operierten

Wenn die Schilddrüse nahezu vollständig entfernt wurde und die richtige Dosis L-Thyroxin bereits gefunden ist, ist es dennoch möglich, dass sich der Hormonbedarf wieder verändert, wenn auch nicht so oft wie bei einer mit den Jahren schrumpfenden Hashimoto-Schilddrüse. Deshalb sollten auch bei Operierten etwa einmal im Jahr die Werte überprüft werden. Der Hormonbedarf kann sich zum Beispiel ändern, wenn deutlich mehr oder weniger Sport und körperliche Arbeit betreibt als vorher oder wenn sich der Östrogenspiegel deutlich verändert (durch Medikamente oder durch die Wechseljahre).

Da die Eigenproduktion der Schilddrüse fehlt, brauchen operierte Menschen etwas häufiger zusätzliches T3 als solche, die noch ihre Schilddrüse mit ein wenig Eigenleistung haben (siehe Teil 4 dieses Online-Ratgebers). Eine allgemeine Regel lässt sich daraus nicht ableiten – beobachten Sie einfach Ihre Werte und Ihr Befinden und beraten alles Weitere mit der Fachärztin.

Wenn das Organ wegen Schilddrüsenkrebs entfernt wurde oder bei der Gewebeuntersuchung zufällig eine Krebserkrankung festgestellt wurde, sollten Sie die weitere Therapie und Hormonbehandlung mit den Fachleuten einer spezialisierten Klinik besprechen. Die Empfehlungen können sich mit der Zeit ändern und auch davon abhängen, welche Art von Schilddrüsenkrebs jemand hatte.

Nächstes Kapitel: Radiojodtherapie gegen Kropf und heiße Knoten