Im Zusammenhang mit Schilddrüsenstörungen ist oft von Jodmangel die Rede. Die Nahrung in Mitteleuropa ist allerdings im Vergleich zu früheren Jahrzehnten relativ reich an dem Spurenelement Jod, und die Weltgesundheitsorganisation stuft Deutschland nicht mehr als Jodmangelgebiet ein.

Ein Jodmangel ist aber nicht in generell undenkbar, denn die Ernährung und der Jodbedarf fallen von Mensch zu Mensch unterschiedlich aus. Allerdings führt ein Jodmangel normalerweise nicht direkt zur Unterfunktion: Typisch für Jodmangel wäre ein Kropf (Struma) mit oder ohne Knoten bei relativ unauffälligen Schilddrüsenwerten. Außerdem kommen Kröpfe und Schilddrüsenknoten familiär gehäuft vor, manchmal sogar trotz guter Jodversorgung – das Problem ist offenbar auch eine Frage der Veranlagung. Mehr über den Jodbedarf und die Jodversorgung durch die Nahrung finden Sie im Kapitel über Jod für die Schilddrüse.

Untypisch für einen chronischen Jodmangel wären dagegen eine normal große Schilddrüse mit Unterfunktion und erst recht eine auffallend kleine Schilddrüse. Allerdings ist wie gesagt keine einheitliche Untergrenze definiert (siehe vorletztes Kapitel über Ultraschall).

Nicht jeder Kropf bedeutet Jodmangel

Aber auch bei einer vergrößerten Schilddrüse ist ein Jodmangelkropf genau genommen eine Ausschlussdiagnose, das heißt, andere nahe liegende Ursachen für den Kropf sollten zuerst abgeklärt werden. Dazu gehört auch die Hashimoto-Thyreoiditis. Im Zweifel können Sie in der Facharztpraxis nach noch nicht getesteten Antikörperwerten, nach dem Ultraschallbefund und eventuell nach einer Feinnadelpunktion fragen.

Wenn jemand früher Morbus Basedow hatte, kann der Kropf auch auf diese Krankheit zurückgehen. Basedow und Hashimoto sind Ausschlussgründe für eine Behandlung des Kropfs mit Jod. Falls nahe Verwandte an Basedow oder Hashimoto erkrankt sind oder waren, besteht ein erhöhtes Risiko, dass Sie ebenfalls eine Veranlagung dazu haben und zusätzliches Jod nachteilig wäre.

Mancher Schilddrüsenkrebs bringt ebenfalls einen Kropf mit sich: Das kommt zwar sehr selten vor, darf aber nicht übersehen werden. Eine Jodverwertungsstörung wäre ebenfalls als Ursache für einen Kropf denkbar. Sie kann sogar zur Unterfunktion führen, ebenso die seltenen Antikörper gegen die Hormone T3 und T4.

Was sonst noch einen Kropf begünstigt

Außerdem können verschiedene Einflüsse das Kropfwachstum zumindest begünstigen: In Frage kommen das Rauchen, manche Medikamente (z. B. Lithium), starker Selen-, Eisen- und Zinkmangel (Kapitel 10.4.) sowie die Einnahme isolierter Isoflavone auf Soja- und Rotkleebasis. Stoffe, die das Kropfwachstum fördern, werden Goitrogene genannt, sie sind auch in manchen Lebensmitteln enthalten.

Siehe auch Kapitel 8.8.: Soja und andere Goitrogene – verboten oder erlaubt?

Die teils sehr einseitige und auch jodarme Ernährung in Kriegsjahren trug womöglich dazu bei, dass Kröpfe in solchen Zeiten noch weit verbreitet waren. Auch nitratreiches Trinkwasser kam als Ursache für Jodverwertungsstörungen und einen Kropf in Frage. Heute ist das Wasser in Mitteleuropa sehr gut kontrolliert. Die Bevölkerung wird bei einer Überschreitung der Grenzwerte gewarnt, da Nitrat für Säuglinge bedenklich ist.

Wie kann man Jodmangel messen?

Es gibt verschiedene Verfahren, um Jod zu messen: Per Blutabnahme im Serum, außerdem per Messung der Jodausscheidung im Urin oder im 24-Stunden-Sammelurin. Allerdings sind diese Messungen mehr oder weniger Momentaufnahmen, denn die Ergebnisse hängen stark davon ab, wie viel Jod in den Tagen vor der Untersuchung konsumiert wurde. Das betrifft sowohl die Ernährung als auch jodhaltige Nahrungsergänzungsmittel und Medikamente. Die Jodausscheidung im Urin wird aber oft verwendet, um die durchschnittliche Jodversorgung der Bevölkerung zu erfassen.

Bei Jod im Serum sollte man bedenken: Dieser Wert kann nicht nur bei einem Jodmangelkropf erniedrigt sein, sondern auch bei einer Unterfunktion und einer Thyreoiditis. Aus dem Ergebnis der Messung kann also nicht direkt abgeleitet werden, ob eine Behandlung mit Jodpräparaten tatsächlich richtig wäre. Deshalb ist ein derartiger Test bei einer Hashimoto-Thyreoiditis nicht sinnvoll oder gar nötig.

Wird Jod im Sammelurin gemessen, muss zusätzlich der Kreatininwert im Blut bestimmt werden, um die Jodausscheidung korrekt berechnen zu können. Daraus wird die derzeitige Jodversorgung abgeleitet. Aber auch eine niedrige Jodausscheidung bedeutet nicht direkt, dass Jod zugeführt werden sollte: Die Jodversorgung kann auch bei solchen Krankheiten gering sein, bei denen zusätzliches Jod nachteilig wäre. Auch der Uptake einer Szintigrafie (Link zum vorigen Kapitel) liefert nur ein Indiz.

Andere Messverfahren zählen zur Alternativmedizin und sind bestenfalls nutzlos: Ein Jodmangel kann weder durch Haaranalysen noch durch Auftragen von Jod auf die Haut festgestellt werden. Ein so genannter Jodsättigungstest, bei dem jemand extrem hoch dosiertes Jod einnimmt, kann je nach Schilddrüsenerkrankung und Veranlagung auch massiv schaden.

Nächstes Kapitel: Alles nur psychosomatisch bedingt?

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