Vorsorge-Online: Desinformation zur Schilddrüse
Im Newsletter der Ärztezeitung habe ich von einem Portal gelesen, das Informationen zur Früherkennung von Schilddrüsenleiden enthalten soll, und mich auf Vorsorge-Online.de umgesehen. Der dortige Webtext und das Faltblatt zur Schilddrüse behaupten, Jodmangel sei die häufigste Ursache der Unterfunktion, und Jodsalz und Jodtabletten die „Basistherapie“ bei Schilddrüsenerkrankungen. Ich habe in einem Leserkommentar bei der Ärztezeitung darauf hingewiesen, dass dieser pauschale Tipp gefährlich werden kann, wenn er von Menschen mit Schilddrüsenüberfunktion oder deren Behandlern in die Tat umgesetzt wird.
Die Hashimoto-Thyreoiditis und Morbus Basedow werden im Text zwar knapp erwähnt, aber nicht als mögliche Ursachen eines Kropfs benannt. Es wird auch kein Zusammenhang zwischen Hashimoto und einer Schilddrüsenunterfunktion hergestellt, da ja der Jodmangel als angebliche Hauptursache der Hypothyreose dargestellt wird. Andererseits heißt es dort auch, dass TSH-Werte durch eine „regelmäßige Jodzufuhr (…) erhöht sein“ können, warum auch immer. Außerdem werden im Text die Schilddrüsenwerte T3 und T4 erwähnt, deren Messung heute nicht mehr sinnvoll ist – die freien Hormonwerte (fT3 und fT4) sind genauer.
Welchen Zweck hat so ein verwirrendes Portal, hinter dem gleich mehrere Professoren der Medizin stehen? Sehen wir uns die Macher näher an. Das Impressum nennt eine PR-Agentur mit dem Schwerpunkt Medizin sowie ein „Infozentrum für Prävention und Früherkennung (IPF)“, das man bei Google fast nur in Verbindung mit PR-Meldungen für Vorsorge-Online.de findet, welche von zahlreichen Medien unkommentiert verbreitet werden.
Das IPF wird laut Vorsorge-Online.de vom Verband der Diagnostica-Industrie (VDGH) unterstützt. Dazu passt, dass Vorsorge-Online.de dafür wirbt, Laborwerte als „individuelle Gesundheitsleistungen“ selbst zu bezahlen. Ob die als „Beirat“ aufgeführten Medizin-Professoren mit den Inhalten von Vorsorge-Online.de zu tun haben, erschließt sich mir nicht. Laut Website soll dieser wissenschaftliche Beirat die Neutralität des IPF gewährleisten. Ich würde eher sagen, diese Ärzte geben ihre Namen für diese windige Kampagne her.
Nachtrag 1.10.2013: Mittlerweile wurde die Vorsorge-Online-Website etwas umgeräumt, die Schilddrüse findet man bei den Faltblättern und dort unter „Tests bei Schilddrüsenerkrankungen und Blutarmut“. Da heißt es immer noch: „In der Regel werden auch die Schilddrüsenhormone T3 und T4 im Blut und andere Werte, wie z. B. die freien Hormone FT3 und FT4 (…) bestimmt.“
Haarsträubend, die zitierte Aussage zum Jodsalz. Und auch dies: „Die Dosierung wird so gewählt, dass die TSH-Werte innerhalb des Referenzbereiches (0,4 – 4,0 mU/l) liegen.“ – Ich würde mich ja bedanken, wenn meine Hausärztin sich aufgrund solcher Informationen mit einem TSH-Wert von 3,9 oder so zufrieden gäbe. Die Auskunft, dass der TSH-Wert bei Hashimoto-Patienten möglichst im unteren Drittel des Referenzbereiches liegen sollte, wäre doch wohl das Mindeste.
Ja, die Aussage zum TSH-Wert klingt auch ziemlich angestaubt. Den Referenzbereich fände ich auch schon für ein Screening zu weit.
Ich frage mich aber inzwischen, ob überhaupt ein Arzt den Text gelesen hat. Er könnte auch von einer Hilfskraft ergoogelt sein.
Auch die Vorsorge-Online-Informationen zum Thema Wechseljahre sind teils fragwürdig, ich habe vorhin schon im Blog Brustkrebs Partner darauf hingewiesen. Das IPF-Faltblatt empfiehlt noch recht sorglos die früher üblichen Hormonersatz-Tabletten. Und beim Stichwort Osteoporose-Vorbeugung hat man das Thema Vitamin D komplett verpasst.
Dagegen hilft nur die Seiten weiter in den Suchmaschinen erscheinen zu lassen. BTW.: Das Bundesamt für Risikobewertung hat sich zum Thema Jod auch geäußert. Die mögliche Jodbelastung bei älteren Menschen ist niedriger und man kann schneller an Schilddrüsenerkrankungen leiden. Stichwort: ehe. Jodmangelgebiete.