Zurück zu den Laborwerten: Wo sollen nun die freien Werte (also die freien Hormone fT3 und fT4) im Idealfall liegen? Das lässt sich kaum so allgemein beantworten – klar ist nur, dass sie möglichst innerhalb der Referenzbereiche liegen sollten, die allerdings vom Labor mehr oder weniger weit gefasst sind. Freie Werte nahe der Untergrenze sind meistens unzureichend, auch freie Hormone fast an der Obergrenze sind für viele Menschen unverträglich.
Ihren persönlichen Optimalbereichen der freien Werte nähern Sie sich am besten Schritt für Schritt an. Der fT4-Wert kann durch Steigerungen der L-Thyroxin-Dosis erhöht werden. Der fT3-Wert hängt dagegen mehr von der körpereigenen Umwandlung der Hormone ab. Erschöpfung und Kraftlosigkeit, Konzentrationsprobleme und Wortfindungsstörungen weisen oft auf auf einen individuell zu niedrigen fT4-Wert hin, könnten aber auch andere Ursachen haben.
Inhalte dieses Kapitels
Mit L-Thyroxin unterdosiert oder überdosiert?
Eine Unterdosierung und eine Überdosierung sind nicht immer eindeutig anhand der Symptome zu unterscheiden, mit wachsender Erfahrung wird es aber einfacher. Eine leichte Überdosierung erkennen Sie möglicherweise an einem zu schnellen Puls, schlechterem Schlaf, innerer Unruhe, Nervosität und Gereiztheit. Andererseits könnte Gereiztheit in Kombination mit ständigem Frust auch auf zu niedrige freie Werte oder eine Depression hinweisen – ein einzelnes Symptom ist für sich betrachtet oft mehrdeutig.
Bei einer Überdosierung müssen nicht alle typischen Symptome einer Überfunktion (Link zurück zu Kapitel 1.3 dieses Online-Ratgebers) vorliegen, schon gar nicht im vollen Ausmaß. Wenn zur Überfunktion passende Beschwerden länger bestehen bleiben, sollte über eine Reduzierung der Dosis nachgedacht werden. Eventuell ist es sinnvoll, vorher die Laborwerte zu überprüfen, um ein Bild von der momentanen Lage zu bekommen – vorausgesetzt, die aktuelle Dosis L-Thyroxin wurde lange genug eingenommen. Für einen ungefähren Eindruck vom Ausmaß der vermuteten Überdosierung reichen auch mal drei Wochen aus. Damit der fT4-Wert realistisch eingeschätzt werden kann, sollten Sie die Tablette morgens vor der Blutentnahme weglassen (Link führt zum vorletzten Kapitel).
Auf eine Überdosierung reagieren – Dosis reduzieren
Wenn sich anhand der Laborwerte zeigt, dass der fT4-Wert über dem Referenzbereich oder über dem vermuteten Optimalbereich liegt, ist die Reduzierung der Dosis der nächste Schritt. Wenn die Überdosierung stark ist oder sich deutliche Beschwerden zeigen, kann es sinnvoll sein, übergangsweise nur die halbe Dosis zu nehmen oder L-Thyroxin an etwa zwei bis drei Tagen ganz abzusetzen, um den Hormonüberschuss schneller abzubauen. An diesen Auslasstagen muss man nicht befürchten, dass man das unangenehm spürt – der zu hohe Hormonspiegel (also der fT4-Wert) sinkt nur langsam ab. Lediglich das Anfluten der täglichen Dosis fällt an den Tagen ohne L-Thyroxin komplett weg und damit vielleicht auch manche Symptome der Überdosierung.
Nachdem die neue Dosis sechs Wochen lang genommen wurde, können die Werte wieder überprüft werden, vielleicht ist noch eine Anpassung nach oben unter unten nötig. Planen Sie die Kontrolle am besten schon vorab mit Ihrem behandelnden Arzt.
Wenn der TSH-Wert bereits sehr niedrig ist, können sich kleine Änderungen der Dosis stärker auf den fT4-Wert auswirken als es sonst der Fall wäre: Die Schilddrüse kann einen Hormonüberschuss nur noch im begrenzten Maß selbst ausgleichen, weil die vom TSH gesteuerte Eigenproduktion bereits stark reduziert ist. Umso stärker reagieren die freien Werte auf eine veränderte Dosis L-Thyroxin – das gilt für Erhöhungen und Senkungen. Es braucht aber immer mehrere Wochen, bis eine Dosisänderung vollständig im Hormonspiegel und Befinden angekommen ist.
Geduld kann sich lohnen!
Wenn schließlich eine ungefähr passende Dosis L-Thyroxin gefunden ist, dürfen Sie Ihrem Körper auch mal einige Monate Zeit lassen, um sich daran zu gewöhnen und das Beste daraus zu machen, bevor Sie die Dosis erneut verändern. Manche Verbesserung zeigt sich erst nach einiger Zeit. Das gilt besonders für den Haarwuchs sowie für die Sexualhormone und den weiblichen Zyklus, die mit einer Verzögerung von einigen Wochen bis einigen Monaten auf veränderte Schilddrüsenwerte reagieren können.
Beschwerden, die unter L-Thyroxin besser werden oder ganz verschwinden, hatten offenbar mit der Schilddrüse zu tun. Bei Problemen, die trotz anscheinend passender Dosis fortbestehen, ist es nicht immer eindeutig, ob die Dosis doch noch ein wenig erhöht oder gesenkt werden sollte, ob womöglich zusätzliches T3 benötigt wird oder die Beschwerden ganz andere Gründe haben – mehrere Möglichkeiten sollten in Betracht gezogen werden. Aber ändern Sie nicht zu viele Dinge auf einmal, sonst verlieren Sie den Überblick, woher Verbesserungen oder Verschlechterungen kommen könnten.
Der Optimalbereich (von manchen Betroffenen auch Wohlfühlbereich genannt) der freien Werte kann von Mensch zu Mensch anscheinend unterschiedlich weit oder eng ausfallen. Manche müssen ihre passende Dosis ganz genau austüfteln und sich deshalb auch selbst etwas darum kümmern. Andere reagieren recht tolerant und können nicht immer eindeutig sagen, ob sie sich mit einer etwas höheren oder etwas niedrigeren Dosis besser fühlen.
Wenn freie Werte und Befinden stimmen
Wenn die Hormondosis schließlich gut passt, dann reicht es oft aus, etwa zweimal pro Jahr die Werte (TSH, fT3 und fT4) zu überprüfen. Doch spätestens wenn sich das Befinden verschlechtert, sollten Sie sich darum kümmern. Möglicherweise ist die Eigenleistung der Schilddrüse gesunken oder Ihr Hormonbedarf hat sich aus anderen Gründen verändert.
Wer zum Beispiel das sportliche Pensum stark steigert oder eine körperlich anstrengende Arbeit beginnt, braucht möglicherweise bald mehr L-Thyroxin. Auch eine deutliche Gewichtsabnahme oder -zunahme kann Auswirkungen auf den Bedarf haben, außer es handelt sich nur um Wassereinlagerungen. Langfristig kann es passieren, dass man im Alter mit etwas weniger L-Thyroxin auskommt als früher. Bei Frauen kann der Bedarf schon im mittleren Alter wegen der Wechseljahre sinken, und im Fall einer Behandlung mit Östrogenen wieder etwas ansteigen.
Aktuelle Wohlfühlwerte festhalten
Ein Tipp dazu: Üblicherweise geht ein Mensch zum Arzt, wenn er sich krank fühlt. Wer Schilddrüsenhormone einnimmt, sollte es auch einmal umgekehrt probieren – wie sehen die Laborwerte aus, wo liegen die freien Werte (fT3 und fT4), wenn es Ihnen relativ gut geht? Vielleicht können Sie diese Schilddrüsenwerte aus guten Tagen später als mögliche Zielbereiche für Ihre freien Werte brauchen. Auch der TSH-Wert darf dabei beachtet werden. Selbst wenn diese Methode nicht vollkommen zuverlässig ist, kann sie einen Versuch wert sein. Wenn Sie zwischendurch zu einem Labor wechseln, das mit ganz anderen Referenzbereichen arbeitet, sind die freien Werte aber nicht direkt mit den vorigen vergleichbar.
Noch ein Hinweis für Menschen mit Sehhilfen: Wenn Sie sich eine neue Brille oder Kontaktlinsen anpassen lassen möchten, ist es günstig, wenn die Hormondosis stimmt. Bei manchen Menschen ist es sogar sinnvoll, zweimal zum Sehtest zu gehen – einmal morgens in den Stunden nach der Tabletten-Einnahme und einmal am frühen Abend, wenn die Hormonspitze schon vorbei ist. Manche Optikermeister wissen darüber Bescheid, dass die Sehstärke ein wenig vom Hormonlevel abhängt und das Level im Lauf des Tages absinkt, wenn jemand L-Thyroxin-Tabletten einnimmt.
Sie sind am Ende von Teil 3 angelangt. Es folgt Teil 4 für Fortgeschrittene – T3-Einnahme und mehr.
Direkt zum nächsten Kapitel: Schilddrüsenwerte per App in Prozente umrechnen?
Zum übernächsten Kapitel: Hintergrund: So werden Referenzbereiche festgelegt