Nun kommen wir zu einer eher ungefährlichen Methode der Alternativmedizin, der Homöopathie. Dieser Begriff wird oft mit der Naturheilkunde im Allgemeinen verwechselt, auch deshalb soll er hier genauer erklärt werden.
Inhalte dieses Kapitels
Homöopathie – was ist das genau?
Die Homöopathie steht für ein ganz bestimmtes Vorgehen, das vor rund 200 Jahren von Samuel Hahnemann entwickelt wurde – also zu einer Zeit, als es die Medizin im heutigen Sinn praktisch noch nicht gab. Homöopathische Mittel werden aus pflanzlichen, tierischen, mineralischen und chemischen Stoffen hergestellt, so genannte homöopathische Nosoden sogar aus sterilisierten Krankheitserregern oder krankem Gewebe. Auch einige homöopathische Mittel aus Hormonen gibt es.
Im Herstellungsbetrieb werden die jeweiligen Ausgangsstoffe schrittweise verdünnt und verschüttelt. Homöopathen nennen das „potenzieren“: Verschiedene Potenzbezeichnungen wie etwa D12 oder C30 oder LM6 geben an, nach welchem Schema der Ausgangsstoff verarbeitet wurde. Homöopathische Mittel sind als Globuli mit Milchzucker sowie als Tropfen mit Wasser und Alkohol im Handel. Schüßler-Salze sind eine vereinfachte Form der Homöopathie, die nur eine kleine Auswahl von Mineralsalzen in der D-Potenz verwendet. Sie werden oft zur Selbstbehandlung eingesetzt.
Kritik an der Homöopathie
Da in einer homöopathischen Hochpotenz kein Ausgangsstoff mehr vorhanden ist, steht für die Kritiker der Homöopathie fest, dass sich die Wirkungen und Erfolgsgeschichten der Homöopathie auf den Placebo-Effekt beschränken (der übrigens bei jeder Art von Behandlung hineinspielen kann). Tatsächlich fallen die Erfolge der Homöopathie in wissenschaftlichen Studien eher bescheiden aus.
Aber auch Homöopathen, die von der Wirksamkeit ihrer Methode überzeugt sind und auf diverse handfeste Erfolge verweisen, räumen manchmal ein, dass es Monate oder gar Jahre dauern kann, bis endlich ein passendes Mittel gefunden ist und auf dem Weg dorthin etliche Fehlschläge verkraftet werden müssen. Wie man die Sache auch einschätzen mag: Sie sollten sich bei schweren Krankheiten oder unter hohem Zeitdruck nicht oder nicht allein auf die Homöopathie stützen, falls es zuverlässigere Therapien gibt.
Wie läuft eine homöopathische Behandlung ab?
Bevor Homöopathen chronische Probleme behandeln, befragen sie ihre Klientinnen möglichst umfassend in einem ausführlichen Gespräch (Anamnese) nach ihren körperlichen und seelischen Beschwerden. Dann wird ein Mittel individuell ausgewählt und nach der Einnahme beobachtet, ob sich etwas bessert oder anderweitig verändert. Bei leichten akuten Erkrankungen betreiben Homöopathen meist weniger Aufwand und berücksichtigen in erster Linie die aktuellen Symptome. Vorhandene medizinische Diagnosen werden oft bei der Wahl des homöopathischen Mittels berücksichtigt, eigene Untersuchungen oder Blutentnahmen sind aber im Rahmen der homöopathischen Behandlung nicht nötig.
Ärztinnen und Heilpraktiker, die die Homöopathie nebenbei praktizieren und keine ausführliche Anamnese machen, verwenden manchmal homöopathische Komplexmittel: Das sind Mischungen aus verschiedenen Einzelmitteln, die sich bei einer bestimmten Krankheit oder einem Symptom bewährt haben sollen, zum Beispiel bei akutem Heuschnupfen oder einer angeblichen Nebennierenschwäche (Kapitel 7.2.). Es gibt auch homöopathische Komplexmittel, die der Schilddrüse helfen sollen, wobei nicht unbedingt klar ist, welche Schilddrüsenprobleme damit konkret gemeint sind.
Weitere schematische Anwendungen der Homöopathie betreffen das Thema Impfung: Allerdings gibt es keine brauchbaren homöopathischen Impfungen, da mittels Homöopathie keine nachweisbaren Immunisierungen erreicht werden – darauf weist übrigens auch ein Verein homöopathischer Ärzte hin. Es gibt auch kein homöopathisches Mittel, das sich zur Vorbeugung von Impfschäden eignet. Ende 2021 gab ein bekannter Hersteller homöopathischer Mittel sogar große Zeitungsinserate auf, in denen er dafür warb, sich gegen das neue Coronavirus (Covid-19) impfen zu lassen.
Homöopathie, Schilddrüse und Hormone
Manche Homöopathie-Fans mit Hashimoto fragen sich, ob sie homöopathische Jodverbindungen einnehmen dürfen. Jod in homöopathischer Minidosis ist selbstverständlich auch bei einer Hashimoto-Thyreoiditis unbedenklich: In den höheren Potenzen ist der Ausgangsstoff sowieso nicht mehr enthalten, in den niedrigen Potenzen nur in geringen Mengen.
Aus homöopathischer Sicht haben potenzierte Jodverbindungen einen Bezug zu Schilddrüsenstörungen, allerdings betrifft das eher die Überfunktion der Schilddrüse (Kapitel 1.3.). Wer ein Komplexmittel gegen die Überfunktion wählt, sollte genau nachfragen, ob neben den Homöopathika auch unverdünnte pflanzliche Schilddrüsenhemmer aus Wolfstrapp enthalten sind (Link zu Kapitel 9.1.), bei denen eher eine direkte Wirkung auf die Funktion der Schilddrüse denkbar wäre.
Wichtig zu wissen ist auch: Homöopathische Mittel wie Thyreoidinum oder homöopathisch potenziertes L-Thyroxin können richtige Schilddrüsenhormone nicht ersetzen – weder aus medizinisch-wissenschaftlicher noch aus homöopathischer Sicht. Das gilt sinngemäß auch für homöopathische Cremes, die aus anderen Hormonen wie Progesteron, Estriol oder Pregnenolon hergestellt wurden: Von einer D4-Creme können Sie nicht erwarten, dass sie Ihren Hormonspiegel erhöht.
Für Thyreoidinum wird übrigens die Schilddrüse eines Schafs verwendet – nicht zu verwechseln mit dem natürlichen Schilddrüsen-Extrakt aus tierischen Schilddrüsen (siehe Kapitel 4.7.), der tatsächlich Hormone in wirksamen Mengen enthält.
Wenn Sie es trotz fehlender Beweise möchten, können Sie selbstverständlich Ihr Glück mit der Homöopathie versuchen und ausprobieren, was für Sie selbst dabei herauskommt. Schilddrüsenhormone oder andere Medikamente sollten Sie dafür nicht absetzen: Das könnten Sie immer noch tun, falls ein Medikament eines Tages tatsächlich nicht mehr nötig sein sollte – aus welchen Gründen auch immer.
Voriges Kapitel: Hoch dosiertes Jod als alternative Therapie?
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