Vitamin D ist eigentlich kein typisches Vitamin, sondern ein Prohormon. Der Körper kann es selbst herstellen, wenn die unbekleidete Haut genug Sonnenlicht erhält. Einzelne Nahrungsmittel enthalten zwar auch Vitamin D, tragen aber insgesamt viel weniger bei, als die Haut bei sonnigem Wetter selbst bilden kann – zumindest unter idealen Umständen.

Doch im Herbst und Winter reicht die Sonnenstrahlung in Mitteleuropa monatelang nicht aus, die Sonne steht zu tief. Dann werden die Reserven aus dem Sommer allmählich aufgebraucht, sodass viele Menschen im Winter und Vorfrühling schlecht mit Vitamin D versorgt sind. Ab wann ein Mangel vorliegt, ist allerdings Definitionssache (siehe unten).

So klappt es mit dem Sonne tanken

Wenn die Haut tatsächlich Vitamin D bilden soll, kommt es auf die UV-B-Strahlung an, die auch dazu beiträgt, dass helle Haut im Sommerhalbjahr bräunt. Wie intensiv die Strahlung zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort ist, wird als UV-Index angegeben: Je höher der Wert, umso stärker die Strahlung. Manche Wetter-App nennt den aktuellen UV-Index für den betreffenden Ort, außerdem können Messwerte im Internet abgerufen werden. Beachten Sie bitte, ob der Wert eine Momentaufnahme darstellt oder den erwarteten Höchstwert des Tages. Mittags und bei klarem Himmel ist die Strahlung am intensivsten, auf den Bergen ist sie höher als in tieferen Lagen.

Menschen mit heller Haut können schon ab einem UV-Index von 3 gut bräunen und dabei auch Vitamin D bilden. Das kann mancherorts schon im März klappen, wenn die Mittagsstunden klar und sonnig sind – und nicht zu kalt, um genug Haut zu zeigen. Bei einem UV-Index von 2 müsste man länger an der Sonne sitzen oder sich an spiegelnden Oberflächen aufhalten, die einen Teil der Strahlung reflektieren, zum Beispiel am Wasser oder auf trockenem Quarzsand.

Auch wenn dieser Vorgang völlig natürlich ist: UV-Strahlung trägt nicht nur zur Bildung von Vitamin D bei, sondern lässt die Haut auch schneller altern und begünstigt im Lauf vieler Jahre weißen Hautkrebs. Das ist bereits der Fall, wenn keine Sonnenbrände auftreten. Daher ist es nicht sinnvoll, ausgerechnet Gesicht und Handrücken zum Sonne tanken einzusetzen, die sowieso am meisten an der Sonne sind. Eine praktische Möglichkeit wäre, in den ersten Frühlingstagen ganz dezent vorzubräunen, um etwas Eigenschutz aufzubauen, und sich danach gut vor der Sonne zu schützen. Dabei ist der aktuelle UV-Faktor hilfreich, denn auch bei mäßigen Temperaturen kann die UV-Strahlung schon sehr stark sein, besonders um die Mittagszeit.

Links: Der aktuelle UV-Index an 33 Orten in Deutschland
www.bfs.de/DE/themen/opt/uv/uv-index/aktuelle-tagesverlaeufe/aktuell_node.html

Der aktuelle UV-Index in Österreich und Umgebung
www.uv-index.at

UV-Index-Prognose für Österreich (Karten mit erwartetem Tageshöchstwert)
www.zamg.ac.at/cms/de/wetter/produkte-und-services/gesundheitswetter/prognose-uv-index

UV-Index-Prognose für die Schweiz (Tageshöchstwert)
www.meteoschweiz.admin.ch/home.html?tab=uvindex

Menschen, die sich im Sommer konsequent vor intensiver Sonne schützen, bauen geringere Vitamin-D-Reserven auf als andere, die einer stärkeren Sonnenstrahlung ausgesetzt sind. Auch dunkle Haut schützt teilweise vor UV-Strahlung und erhöht in Mittel- und Nordeuropa die Wahrscheinlichkeit, nur schlecht mit Vitamin D versorgt zu sein. Auch bei älteren Menschen fällt die Vitamin-D-Bildung schwächer aus. Doch das ist kein Problem, wenn man sich gut um das Thema kümmert und einnimmt, was fehlt.

Vitamin D und Knochenstoffwechsel

Nahrungsmittel reichen nicht aus, um sich mit Vitamin D zu versorgen: Ein wenig ist in einigen tierischen Nahrungsmitteln wie fettem Seefisch enthalten, in pflanzlichen fast gar keines. Vitamin D ist aber unverzichtbar dafür, dass der Körper ausreichend Kalzium aus dem Verdauungstrakt aufnehmen kann. Wenn Vitamin D knapp wird, produzieren die Nebenschilddrüsen mehr Parathormon. Das hat zur Folge, dass fehlendes Kalzium den Knochen entzogen wird, um den Kalziumwert im Blut stabil zu halten – denn Kalzium hat auch neurologische Funktionen, die für den Körper noch wichtiger sind als langfristige Effekte auf die Knochen.

Siehe auch Kapitel 10.7.: Kalzium (nicht nur) für die Knochen

Ein Mangel an Vitamin D kann auf lange Sicht zu einer verminderten Knochendichte (Osteopenie) und als Spätfolge zu einer Osteoporose führen. Im Zweifel kann die Knochendichte gemessen werden. Schon lange bevor es zur Osteoporose kommt, kann ein Mangel leichte Knochen- und Muskelschmerzen mit sich bringen. Es kommt auch vor, dass es der Muskulatur an Kraft und Spannung fehlt. Neurologisch werden Missempfindungen und Migräne begünstigt. Doch öfter ist ein Defizit gar nicht direkt spürbar und bleibt unbemerkt.

Eine Rolle für den Knochenaufbau spielt außerdem das Vitamin K2 (siehe nächstes Kapitel). Es sorgt dafür, dass Kalzium tatsächlich in die Knochen eingebaut wird, statt anderswo abgelagert oder ausgeschieden zu werden. Eine Schilddrüsen-Überfunktion (Kapitel 1.3.) bringt mit sich, dass der Knochenabbau stärker beschleunigt wird als der Aufbau. Das gilt auch für eine Überdosierung von Schilddrüsenhormonen und unnötig hohe freie Werte, besonders für T3.

Vitamin D und Immunsystem

Saisonaler Vitamin-D-Mangel ist wahrscheinlich einer der Gründe dafür, dass Erkältungen und Atemwegs-Infekten im Winterhalbjahr häufiger vorkommen als in der warmen Jahreszeit. Hintergrund ist, dass Vitamin D zur Immunmodulation beiträgt. Denkbar wäre auch, dass ein Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Mangel und Winterdepressionen sowie der Frühjahrsmüdigkeit besteht.

Link: Meta-Analyse: Vitamin D verhindert Atemwegsinfektionen (Ärztezeitung 2017)
www.aerztezeitung.de/Medizin/Vitamin-D-verhindert-Atemwegsinfektionen-312707.html

Die Wirkungen sind noch nicht vollständig erforscht, weil man lange davon ausging, dass Vitamin D nur für feste Knochen wichtig ist. Möglicherweise wirkt sich Vitamin D sogar günstig auf Autoimmunerkrankungen aus. Es könnte aber auch sein, dass Betroffene nur häufiger einen Mangel haben, der aber so oder so behandelt werden sollte.

Hashimoto-Thyreoiditis und Vitamin D

Ein Vitamin-D-Mangel kann häufigere Infekten begünstigen. Diese können wiederum Hashimoto-Schübe auslösen, weil das Immunsystem aktiver wird, auch wenn das nicht immer geschieht. Aber es kann zumindest ein leichter indirekter Nutzen von Vitamin D auf den Hashimoto-Verlauf angenommen werden. (Mit einem Hashimoto-Schub ist hier ein vorübergehend verstärkter Angriff des Immunsystems auf die Schilddrüse gemeint, siehe Kapitel 1.5. über Verlauf der Hashimoto-Thyreoiditis.) Engere Zusammenhänge sind in der Wissenschaft noch nicht eindeutig geklärt.

Hinzu kommt, dass ein Teil der Hashimoto-Betroffenen durch eine unzureichende Behandlung mit L-Thyroxin oder wegen des Lebensstils übergewichtig ist. Wer mehr Körperfett hat, braucht auch mehr Vitamin D als schlanke Menschen.

Derzeit wird Vitamin D von manchen Ärzten nicht beachtet, oder erst dann, wenn bereits gesundheitliche Schäden entstanden sind. Mancher Arzt erklärt gar einen im Labor eindeutig festgestellten Vitamin-D-Mangel für „im Winter ganz normal“ – in diesem fatalistischen Sinn wäre aber auch ein höheres Osteoporose-Risiko „ganz normal“. Wer rein vorbeugend gute Werte haben möchte, muss manchmal selbst die Verantwortung übernehmen. Da das Prohormon Vitamin D zur medizinischen Fachrichtung Endokrinologie gehört, wird die Sache dort oft ernster genommen als in der Hausarztpraxis, die auch mehr auf die Laborkosten achten muss. Aber nach dem Laborwert zu fragen schadet nie.

Welche Vitamin-D-Dosis für Erwachsene?

Vitamin-D-Tabletten mit einer Dosis von 1.000 IE (Internationale Einheiten, 1.000 IE sind 25 µg) bis 4.000 IE können ohne ärztliches Rezept in deutschen Apotheken gekauft werden, in den Drogerien gibt es ähnliche Präparate. 1.000 IE eignen sich als vorsichtige Erhaltungsdosis, um einem starken Mangel vorzubeugen, eine Überdosierung ist damit auch bei Jugendlichen nicht möglich. Bis zu 4.000 Einheiten pro Tag gelten für Erwachsene und Jugendliche als unbedenklich (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA).

Link: Scientific Opinion on the Tolerable Upper Intake Level of vitamin D (EFSA)
https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/pdf/10.2903/j.efsa.2012.2813 (siehe S. 17/18)
siehe auch Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Vitamin_D

Besser ist es aber, die Dosierung an den individuellen Bedarf anzupassen, und das geht nicht ganz ohne Labormessungen des Vitamin-D-Speicherwerts (Details siehe unten).

In den letzten 15 Jahren ist Vitamin D durch Bücher und Fernsehberichte bekannter geworden. Viele Menschen, die jetzt über Vitamin D informiert sind, nehmen im Winterhalbjahr welches ein. Am Ende des Winters kann im Labor überprüft werden, ob die vorbeugend eingenommene Dosis tatsächlich genügt hat. Wenn das nicht der Fall ist, kann der Mangel gezielt mit einer höheren Dosis behandelt werden.

Manche Menschen brauchen sogar eine ganzjährige Vitamin-D-Einnahme, vor allem solche, die im Sommerhalbjahr kaum Sonne tanken. Dann kann es sinnvoll sein, schon zum Herbstbeginn zu testen, wie es um die persönlichen Reserven bestellt ist.

Vitamin D im Labor messen lassen

Ihren Vorrat an Vitamin D können Sie anhand des Speicherwertes 25-OH-Vitamin-D (= 25-Hydroxy-Vitamin-D) feststellen lassen. Der andere Vitamin-D-Wert (1,25-Di-OH-Cholecalciferol = 1,25-Dihydroxy-Vitamin-D) ist nicht notwendig, er ist sowieso meistens zum Ausgleich erhöht, wenn die Reserven knapp sind. Wer bereits Vitamin D einnimmt, sollte es am Tag der Blutentnahme weglassen. Nimmt man nur gelegentlich eine hohe Dosis ein, sollte man den Labortermin vor die nächste Einnahme legen, um zu erfahren, wo man am Ende des Intervalls steht.

Es ist möglich, diesen Speicherwert als Leistung der gesetzlichen Kassen in Deutschland zu erhalten, wenn Sie eine Vorerkrankung wie Hashimoto oder Osteoporose haben. Meistens sind Facharztpraxen eher bereit als Hausärzte, Vitamin D tatsächlich zu untersuchen – einen Rechtsanspruch haben Sie nicht. Wer selbst zahlt, muss mit etwa 35 Euro rechnen (aber Vorsicht – wenn auch der für diesen Zweck unnötige 1,25-Di-OH-Wert dabei ist, wird es erheblich teurer).

Wo sollte Ihr Vitamin-D-Wert liegen? Um optimal versorgt zu sein, sollte der maßgebliche 25-OH-Vitamin-D-Wert etwa zwischen 30 und 60 ng/ml betragen (das entspricht 75 bis 150 nmol/l). Zur Osteoporose-Vermeidung reichen 20 ng/ml noch aus. Vorbeugend empfehlen manche Privatärzte neuerdings deutlich höhere Werte bis zu 80 ng/ml, sie orientieren sich dabei an natürlichen Vitamin-D-Spiegeln in südlichen Ländern. Sehr hohe Werte könnten allerdings ungünstige Wirkungen haben und sollten besser vermieden werden. Eine Vergiftung mit Vitamin D brauchen Sie bei gängiger Anwendung aber nicht fürchten: Dafür müssten Werte von 100 ng/ml oder 250 nmol/l weit überschritten werden.

Behandlung eines nachgewiesenen Mangels

Vitamin-D-Einnahme (Kapselfoto)Um einen Mangel zu therapieren, wäre eine Tagesdosis von 1.000 IE (25 µg) auch für Menschen mit mäßigem Bedarf sehr wenig. Der Mangel würde zwar gelindert, aber wahrscheinlich kein optimaler Wert erreicht. Höhere Dosierungen mit mehreren tausend IE pro Kapsel können ärztlich verschrieben oder im Internet bestellt werden. Sehr hoch dosierte Präparate, die pro Kapsel 10.000 IE oder mehr enthalten, werden normalerweise nicht täglich eingenommen, zumindest nicht über lange Zeit.

Manche Menschen vertragen es besser, täglich eine mäßige Dosis einzunehmen als alle paar Tage eine hohe Dosis. Die Reserven aufzufüllen kann je nach Ausmaß des Mangels und gewählter Tagesdosis einige Monate dauern. Meist ist es sinnvoll, nach etwa vier oder fünf Monaten den Vitamin-D-Speicherwert erneut zu kontrollieren und dann zu entscheiden, wie die Dosierung in der nächsten Zeit angepasst werden soll.

Hohe Tagesdosen erhöhen den Magnesiumbedarf, sodass bei manchen Menschen entsprechende Mangelsymptome auftreten können, falls sie sehr viel Vitamin D auf einmal nehmen oder sie sowieso knapp mit Magnesium versorgt sind. Deshalb kann es sinnvoll sein, ein wenig Magnesium zusätzlich einzunehmen (Link zu Kapitel 10.6.). Wer Magnesium nicht verträgt, darf Vitamin D trotzdem einnehmen – Perfektionismus ist nicht angebracht.

Dass es wegen einer Vitamin-D-Einnahme zu einem spürbaren Magnesiummangel kommt, passiert besonders bei den so genannten Schnellaufsättigungen: Dabei nimmt man täglich sehr hoch dosiertes Vitamin D ein, um in nur fünf bis zehn Tagen einen starken Mangel komplett zu beseitigen. Eine derartige Kur kann sehr unangenehme Beschwerden mit sich bringen. Möglich sind zum Beispiel Schlafstörungen, Kopfschmerz und sogar ein seltsames Gefühl im Herzen, denn auch das Herz ist ein Muskel, der Magnesium braucht.

Weitere Laborwerte: Parathormon, Kalzium …

Auch die Laborwerte Kalzium, Phosphat und Parathormon sind einen genaueren Blick wert: Vitamin D sollte nicht bei erhöhtem Kalziumspiegel (Hypercalcämie) in Kombination mit erhöhtem Parathormon eingenommen werden. Diese Wertekonstellation ist typisch für eine Überfunktion der Nebenschilddrüse (primärer Hyperparathyreoidismus).

Erhöhtes oder hoch-normales Parathormon und dazu ein unauffälliger oder erniedrigter Kalziumwert können dagegen bei starkem Vitamin-D-Mangel vorkommen, in diesem Fall ist Vitamin D die richtige Therapie. Sicherheitshalber sollten Sie vor der Vitamin-D-Einnahme zumindest den Kalzium- und Phosphatwert untersuchen lassen, das dürfte auch in der Hausarztpraxis kein Problem sein. Falls auch das Parathormon gemessen wird, sollten Sie morgens vor dem Frühstück zur Blutentnahme gehen, in den letzten 12 Stunden nichts mehr gegessen haben und auch kein Biotin genommen haben.

Einnahme: Vitamin D ist fettlöslich, die Präparate nehmen Sie deshalb zu einer Hauptmahlzeit ein. Hoch dosiertes Vitamin D wird von vielen Menschen besser vertragen, wenn sie in der Zeit der Therapie zusätzlich Magnesium einnehmen, wobei das nicht zur selben Tageszeit sein muss. Außerdem ist es sinnvoll, auf kalziumreiche Nahrung zu achten.

Voriges Kapitel: Vitamin-B12-Mangel erkennen und behandeln

Nächstes Kapitel: Vitamin K (nicht nur) gegen Osteoporose

Übernächstes Kapitel: Vitamin A und Betacarotin