Die Funktionsstörungen der Schilddrüse
Im Zusammenhang mit Erkrankungen der Schilddrüse liest man öfter von Funktionsstörungen, von einer Fehlfunktion oder Dysfunktion dieses Organs. Aber was versteht man eigentlich darunter?
Wenn keine Funktionsstörung oder Fehlfunktion vorliegt, ist die Schilddrüse gesund, möchte man meinen. Aber Vorsicht – das ist gar nicht zwingend der Fall. Diese Begriffe beziehen sich nämlich nur darauf, ob die Schilddrüse in Sachen Hormonproduktion ihren Dienst tut.
Die Funktionsstörung sowie die Fehlfunktion ist also ein Oberbegriff für die Schilddrüsenunterfunktion und die Überfunktion. Solche Probleme sind nach gängigen Definitionen ausgeschlossen, wenn der TSH-Wert und die freien Hormonwerte im Normalbereich liegen.
Wer sich näher mit dem Thema befasst hat, weiß aber, dass auch bei normalem TSH-Wert diverse Schilddrüsenprobleme möglich sind, etwa eine Hashimoto-Thyreoiditis oder eine vergrößerte Schilddrüse. Auch Knoten können mehr oder weniger unabhängig vom TSH-Wert vorkommen.
Funktionsstörung und Fehlfunktion der Schilddrüse – alles mitgemeint?
Die Verwirrung wird noch größer, wenn ein Begriff nicht einheitlich verwendet wird. So heißt es zum Beispiel auf der Schilddrüsen-Website der Firma Hexal: Von einer Funktionsstörung der Schilddrüse ist heutzutage jeder dritte Bundesbürger betroffen. Hier dürften Schilddrüsenerkrankungen aller Art mitgemeint sein, denn die Unterfunktion und die Überfunktion betreffen zusammengerechnet doch deutlich weniger Menschen als ein Drittel der Bevölkerung, auch wenn sie recht weit verbreitet sind.
Und so bleibt nicht viel, was die Begriffe Funktionsstörung und Fehlfunktion tatsächlich aussagen. Sie klingen zwar nach Fachsprache und suggerieren Kompetenz, aber sie erzeugen letzten Endes mehr Verwirrung als sie zum Verständnis des Themas beitragen. Da Sprache der Verständigung dienen soll, schlage ich der Einfachheit halber vor:
Schaffen wir die „Funktionsstörung“ und die „Fehlfunktion“ der Schilddrüse ab.
Funktionsstörung der Schilddrüsen? Selbst dieser schwammige Begriff ist für viele Ärzte bedauerlich immer noch ein „Fremdwort“. Erst überhaupt einmal auf die Idee zu kommen, daß etwas mit der Schilddrüse nicht stimmt, wenn ein Patient „Befindlichkeitsstörungen“ aufweist, ist für sehr viele Ärzte eine wirkliche Leistung, die allerdings für viele Patienten mit dieser „Funktionsstörung“ sehr sehr häufig viel zu spät kommt.
Davor ging meist immer noch ein jahrelanger Leidensweg mit Ärzteodyssee einher, welche für viele Patienten negative bzw. gravierende persönliche und gesundheitliche Folgen hatte.
Und selbst wenn eine „Funktionssstörung“ irgendwann einmal von irgendeinem Arzt „diagnostiziert“ wird oder wurde, besteht immer noch die Gefahr einer „Falschmedikamentation“ aufgrund einer „Fehldiagnose“. Für die überwiegende Mehrzahl der Ärzte in Deutschland scheinen Probleme mit der Schilddrüse automatisch ursächlich in einem Jodmangel zu liegen und deswegen wird immer noch dem Patienten mit einer „Funktionsstörung“ der Schilddrüse, was auch immer jeweilige Arzt darunter verstehen mag, automatisch ein jodhaltiges Schilddrüsenpräparat verordnet.
Dies ist inbesondere bei der einer Autoimmunthyreopathie (Hashimoto-Thyreoiditis und Morbus Basedow) definitiv medizinisch kontraindiziert. Bei einer Hashimoto-Thyreoiditis sollte nur reines Thyroxin ohne zusätzliches Jod verordnet werden und bei Morbus Basedow Thyreostatika.
Leider lässt sich der medizinische Irrglaube, daß ein Jodmangel, der in Deutschland nach WHO offiziell seit 2014 nicht mehr existiert, heute noch klinische Symptome oder gar eine „Funktionsstörung“ auslöst, nicht auszurotten. Die einzige „Funktionsstörung“ die ein Jodmangel verursachen kann, ist eine vergrößerte Schilddrüse. Dies passiert aber auch bei der hypertrophen Hashimoto-Thyreoiditis und Morbus Basedow. Daher sollte der Patient mit Verdacht auf „Funktionsstörungen“ der Schilddrüse endokrinologische genauer untersucht bzw. diagnostiziert werden.
Laufend werden von spezifischen Arbeitskreisen, die sich nur mit einem einzigen Spurenelement beschäftigt, diese Mär selbst heute noch propagiert und die Hauptursache für heutige „Funktionsstörung“, die Autoimmunthyreopathien, nur seltenst oder nur so beiläufig erwähnt, obwohl heute diese chronische Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse DIE Ursache für deren „Funktionsstörungen“ sind und nicht mehr der Jodmangel aus vorväters Zeiten.
Ein Aufklärung über diese chronischen Schilddrüsenerkrankungen ist von spezifischen Arbeitskreisen, die sich nur mit einem Spurenelement beschäftigten, wohl nicht zu erwarten, da hier das Heil im guten Jod gesucht wird und dies eindeutig das falsche Präparat zur Therapie von Autoimmunthyreopathien ist.
Deswegen müssen die deutschen Selbsthilfegruppe für Schilddrüsenerkrankungen in diesem Bereich verstärkt tätig werden und sind es Gott sei Dank auch, zum Wohle des schilddrüsenkranken Patienten mit „Funktionsstörungen“.
Michael D’Angelo
SHG-Leiter Schilddrüse/Hypophyse Ostalb-Ries
Danke für den ausführlichen Kommentar, Michael.
Den Arbeitskreis Jodmangel nenne ich immer PR-Kampagne, denn eine solche betreibt er ja in einer Tour.
Da es weit verbreitet ist, die Schilddrüse bzw. die Unterfunktion mit Jod zu behandeln, ohne sich die Ursache des Problems näher anzusehen, habe ich mittlerweile einen extra Eintrag angelegt:
Behandlung der Schilddrüsenunterfunktion