Unterfunktion und TSH-Wert bei Spiegel.de
Bei Spiegel.de gibt es einen neuen Artikel zu Ursachen, Diagnose und Behandlung der Schilddrüsenunterfunktion. Er liefert einen ersten Überblick über das Thema. Allerdings ist er im Detail wenig hilfreich, falls man von einer Hashimoto-Thyreoiditis betroffen sein sollte – und das ist (neben der Operation der Schilddrüse) immerhin die häufigste Ursache einer Unterfunktion. Der Spiegel-Artikel beruht auf der Leitlinie für Hausärzte zum erhöhten TSH-Wert und stellt deren Aussagen vereinfacht dar.
Wo ist das Problem? Der Spiegel-Online-Artikel geht kaum auf die Beschwerden der Betroffenen ein, behandelt wird demnach der Laborzettel mit dem erhöhten TSH-Wert und ggf. erniedrigtem fT4-Wert. Wer lediglich eine so genannte latente Unterfunktion und dennoch verdächtige Beschwerden hat und sich auf solche Darstellungen verlässt, findet sich womöglich in einer jahrelangen Warteschleife wieder.
Ich schreibe hier von einer „so genannten latenten Unterfunktion“, weil trotz fT4-Werten im Referenzbereich diverse Symptome möglich sind: Das gilt besonders für niedrig-normale und hoch-normale freie Werte. Der Begriff der latenten Unterfunktion ist so gesehen nicht mehr zeitgemäß. Nicht einmal bei Hashimoto mit einem TSH-Wert unter 2,5 sind Beschwerden sicher ausgeschlossen.
Erhöhter TSH-Wert: Nur Zufall oder Hashimoto?
Der Artikel unterscheidet auch zu wenig zwischen einer diagnostizierten Hashimoto-Thyreoiditis und Zufallsbefunden mit erhöhtem TSH-Wert, hinter denen tatsächlich nicht immer eine Krankheit stecken muss und folglich auch nicht unbedingt eine Behandlung nötig ist. In der Leitlinie selbst sieht es zwar etwas besser aus, aber auch sie orientiert sich stark am TSH-Wert und zielt nicht darauf ab, eine Hashimoto-Thyreoiditis frühzeitig zu erkennen.
Wer mehr Klarheit und eine Chance auf individualisierte Medizin will, statt sich komplett auf eine Hausarztpraxis und den teils launischen TSH-Wert zu verlassen, sollte sich besser an eine Facharztpraxis wenden.
Man kann natürlich auch in der Hausarztpraxis Glück haben, die ja nicht nur über diese allgemeinmedizinische Leitlinie zum TSH-Wert verfügt, sondern auch über eigene Erfahrungen und diverse Berichte und Befunde von Fachärzten.
Leitlinie zum erhöhten TSH-Wert in der Hausarztpraxis
Die Leitlinie zum erhöhten TSH-Wert gibt es hier als PDF.
Die Leitlinie für die Hausarztpraxis ist aus dem Jahr 2016, deshalb wird sie in meinem Ratgeber zur Schilddrüsenunterfunktion erst ab der nächsten Überarbeitung vorkommen. Die Problematik, dass manche Ärzte erst ab einem stark erhöhten TSH-Wert eine Behandlung in Betracht ziehen, ist aber bereits im Buch erwähnt. Viele Inhalte der Leitlinie wurden schon vor ihrer Veröffentlichung so oder so ähnlich in Fortbildungen vermittelt.
Wichtig ist aber: Dass eine latente Unterfunktion erst ab einem TSH-Wert von 10 behandelt werden sollte, gilt in der Leitlinie nur für Patienten, die weder Symptome der Unterfunktion haben noch eine Behandlung wünschen! Bei einer latenten Unterfunktion darf und soll individuell über eine Behandlung entschieden werden.
Bearbeitungsstand: 22. Februar 2018
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